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Summit

Howdy!

Blick aus dem Hotel auf Teil von Salt Lake City und Berge dahinter. Freitag war Skitag.

"Den habe ich beim Summit in Salt Lake City getroffen."

Diesen Satz hört man in meiner Branche recht häufig und eigentlich gibt's dazu nichts zu sagen. Klingt genau so interessant wie es ist, oder?

Zum Glück liegt nicht nur der Teufel im Detail sondern auch die Schatztruhe der interessanten Situationen und komplett absurden Begebenheiten.

Nehmen wir mal John Smith [Name von der Redaktion geändert]. Den habe ich beim Summit in Salt Lake City getroffen.

Oder, um genau zu sein, im Hotelshuttle, das eine Gruppe von etwa 40 Leuten von der Karaokeparty am Donnerstag zum Hilton brachte, in dem die Afterparty sein sollte.

Bei der Summit Party, Foster the People spielen. Eher langweilig.

Erinnert habe ich mich an John Smith erst am Samstag, morgens unter der Dusche beim Haarewaschen.

Weil mir da nämlich recht heftig der Kopf wehtat und ich mir dachte "Fühlt sich an wie 'ne Beule, als hätte mir jemand fett auf den Kopf gehauen". Ich war dann 5 Minuten lang verwirrt, weil Hangover konnte es nicht sein, hatte am Freitag nur 2 Bier getrunken.

Dann fiel mir plötzlich wieder ein, wie mir John im Bus den Fensterplatz anbieten wollte, und weil ich etwas lahm war und nachdachte, wollte er mich Suff auf den Sitz schieben und dabei traf mein Kopf auf's Gepäckfach.

Den Rest des Abends hat er sich dann jedesmal ausgiebig entschuldigt wenn er mich traf, tat ihm wohl ziemlich leid.

Ich bin in erster Linie überrascht, daß ich am Freitag nichts gemerkt habe, denn die Beule ist echt ganz schön heftig.

Segeln

Oder Steve Knowles, ehemals CEO einer Firma in Down Under. Den habe ich beim Summit in Salt Lake City getroffen.

Um genau zu sein stand er vor mir in der Schlange an der Bar. Ich habe keine Ahnung wie genau wir in's Gespräch gekommen sind, aber ich kann mich gut daran erinnern, was er in einem Jahr machen will.

Seine Firma war jahrelang Partner von Efficient Frontier, einer Firma die vor kurzem von Adobe geschluckt wurde. Steves Firma wurde gleich mitgekauft und er wird daher in etwa einem Jahr ein nettes Paket Aktien haben. Damit will er sich dann ein größeres Boot kaufen.

Eigentlich kommt Steve aus dem UK, er ist aber irgendwann umgezogen nach Australien und hat dort seine Firma gestartet. Er wohnt am Meer, segelt täglich und hat zwei Töchter, die ältere 8.

Sein Plan: Wenn er die Aktien verkauft und seinen Vertrag erfüllt hat mit seinen Töchtern und seiner Frau lossegeln. Irgendwohin. Einziger Stolperstein: Seine Frau hat gerade wieder angefangen zu arbeiten und macht sich Sorgen über die Zukunft. Er hofft sie wird sich noch darauf einlassen wenn es soweit ist, und ich wünsche ihm das auch. Mann bin ich neidisch!

Professionelles Foto vom Profifotografen. Muß ja.

Amerikaner gibt's nur im Ausland

Beim Summit sind jede Menge Kunden und man weiß bei Parties nie so recht, mit wem man es zu tun hat, weil die Leute irgendwann ihre Badges ablegen. Deswegen ist man am Anfang lieber vorsichtig. Man. Ich manchmal nicht so.

Donnerstag abend, Karaokebar mit Liveband. Klingt interessant, ist aber eher langweilig. Ich also an die Bar im Nebenraum, Bier bestellen. Stehe dort neben einer Frau um die 45 und einem jüngeren Mann. Bitte Barman um Bier, sofort die Frage der beiden: "wer ju frahm?" Ich erkläre kurz und frage dann zurück.

Daß die 2 aus den USA sind, ist natürlich klar, meine Frage zielt eher darauf ab, ob es Kollegen sind oder nicht. Oder meinetwegen auch aus welchem State sie sind. Aber: Wie das oft so ist sagt die Frau "Eim leik won Quartör Kohrie-en" (dabei sieht sie wirklich total Ami aus) und er erzählt "Eim hähff Görmn".

Ich frage vorsichtig nach, wieviele Generationen zurück das Viertel Korea wohl liegen mag, sie sagt "leik mey-bie twennie or so" und da ist mir auf einmal egal, ob die 2 Kunden sind oder nicht und ich schimpfe sie aus.

Ich meine ist doch wahr: Die USA sind vielleicht die Nation im Westen mit dem ausgeprägtesten Nationalstolz, aber kein Amerikaner sagt je "I'm American!", wenn man ihn fragt. Das ist doch bescheuert!

Zum Glück sind beide Kollegen und zum Glück stimmen sie mir zu.

Später bei der Afterparty treffe ich den Mann wieder (sorry, ich muß "Mann" schreiben weil ich mich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern kann). Wir quatschen ein wenig und am Ende halten wir noch gemeinsam einen Journalisten in Schach, der einem Partner erste eine langt und ihm dann unbedingt noch in die Eier treten will. Manche Leute vertragen einfach keinen Alkohol.

Einschusslöcher!

Zweimal im Leben

Tagsüber verbringe ich viel Zeit im Empfangsbereich, weil es da Tische und Stühle gibt und vor allem Steckdosen. Eindeutig angenehmer als in einem völlig überfüllten Saal zu stehen oder in einem heißen Raum auf ungemütlichen Stühlen zu schwitzen.

Da sitzen natürlich auch andere Leute rum, und weil wir in den USA sind, stellt man sich meist vor, wenn sich jemand hinsetzt. So kommt es, daß ich einmal einem Engländer gegenüber sitze, dessen Name mir sehr bekannt vorkommt. Ich verrenke den Kopf um auf seiner Badge die Firma sehen zu können. Oh, SAP, natürlich!

Mit dem hatte ich vor 2.5 oder 3 Jahren mal ein Vorstellungsgespräch, als ich damals keine Lust mehr hatte bei Omniture zu arbeiten. Das lief sehr gut und ich hatte danach mit seiner Chefin gesprochen, einer Amerikanerin in Paris, die auch ganz angetan war. Komisch daher, daß ein paar Tage nach dem zweiten Interview dann totale Funkstille war. Ich habe nie wieder von denen gehört.

10 Minuten später kommt die Chefin dazu. Hm... ob ich?

Ich stelle mich vor, kein Zeichen. Ich sage "we have spoken in the past I believe" Sie denkt scharf nach. Ich helfe nach: "we had a job interview... " Sie scheint sich langsam zu erinnern und der Engländer sieht auf einmal so aus, als wäre ihm etwas unangenehm. "I was wondering: how come you never followed up?" Jetzt ist es ihr auch etwas unangenehm, harrharr.

Ich koste das eine Minute lang aus und versichere dann, daß ich deswegen nicht böse bin, ist halt so im Berufsleben. Die zwei sind erleichtert und wir reden noch 20 Minuten über SAP, Sprachen, Kultur und Kinder. Die zwei sind richtig nett.

Ich bin auch nachträglich ganz froh, daß das damals nicht geklappt hat.

Vorbei

Kennt Ihr noch, oder: wenn die Party vorbei ist und niemand zugeben will, daß es an der Zeit ist nach hause zu gehen. Dann steht man plötzlich unmotiviert mit völlig fremden Leuten irgendwo vor einer Bar oder einem Hotel und redet Blödsinn weil ja alle voll sind.

Mir ist dabei genau der eine Typ über den Weg gelaufen, der seinem mehr als nur latenten Rassismus Luft machen mußte: Kaum hatte er kapiert, daß ich in Manchester wohne fing er an sich bitter zu beschweren, weil ManU von Dubai gekauft wurde.

Am Ende bin ich völlig fertig

Ich weiß gar nicht ob das stimmt, kann also nur "Na und? Sind doch genau die gleichen Wurstkorken, die da einen Ball hin- und hertreten, oder?" Er läßt aber nicht locker und beklagt den Verfall der westlichen Welt. Ich versuche es mit: "Soll da etwa der Staat eingreifen oder was?" denn das finden Amerikaner ja normalerweise nie gut. Er aber schon.

Kurz danach kommen wir zum Kern des Problems: Es ist ein persönliches Problem! Er ist Inder. Also eigentlich natürlich Amerikaner, aber immerhin sind seine Eltern aus Indien gekommen, nicht seine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern oder so, er ist also wirklich fast echter Inder, so wie meine Kinder fast echte Deutsche sind.

Die Geschichte mit ManU ärgert ihn maßlos, weil er gerne "Sackr" mag und Moslems aus tiefstem Herzen haßt. Ich überlege, wieviel ich ihm von meiner Familie erzählen sollte doch da kommt gerade John Smith vorbei und entschuldigt sich wieder ausgiebig und ich nutze die Gelegenheit und lasse den "Inder" stehen.

Kurz darauf lädt die einzige noch anwesende Frau die verbleibenden 8 Männer zu sich nach hause ein und ich mache mich lieber vom Acker. Ist ja auch schon 4.

Zurück

Salt Lake City liegt in Utah zwischen Bergen und einem Salzsee. Westlich ist ein Mittelstreckenraketentestgelände, östlich Skigebiet, nördlich der besagte Salzsee, auf dem öfter Geschwindigkeitsweltrekorde gebrochen werden und südlich Wüste. Salt Lake City liegt wirklich am Hinterteil der Welt.

Wenn man da hin will, muß man entweder eine unerschütterliche Liebe zum Fliegen mitbringen oder ein Gummimensch sein. Zweimal umsteigen ist ganz normal. Auf dem Hinweg war ich satte 22 Stunden unterwegs, davon nur 1.5 wegen einer Verspätung am Ende.

Auf dem Rückweg lief es besser: Im Flug von Salt Lake City nach Chicago saß ein Mann auf meinem Platz 6d, neben ihm sein Sohn vor ihm seine Frau und noch ein Kind. "Are you sure you're in 6D?" frage ich also, darauf er "no, I m not. I'm supposed to be in 5c, but would you mind?" woraufhin ich mich auf 5c gesetzt habe, denn warum nicht?

5 Minuten später kommt die Frau vom Checkin und fragt mich, ob ich Mr Soundso sei. Ich zeige auf den Mann auf 6D. Frau: "Mr Soundso, we have upgraded you to business. Do you want the upgrade?" und er: "Nah, thanks" darauf ich: "Can I have it?" Gelächter im Flugzeug, Nicken seitens Mann und Frau vom Checkin. Ich so: "Yay!"

Der Rest war natürlich weniger spannend, aber ich habe vermutlich sogar auf dem Weg von Chicago nach Heathrow geschlafen. Mein Jetlag ist heute schon fast weg, aber so genau weiß ich das nicht, weil ich immer noch beim Aufwachen nicht so genau weiß wo ich bin, und weil ich generell den Eindruck habe, ein paar Meter rechts oben neben mir zu stehen.

Soviel für heute,
Jan

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