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Wir kaufen (k)ein Haus (2x updated)

Nu Aber!

Wir haben es ja schon zweimal probiert aber diesmal machen wir ernst:

Wir kaufen ein Haus!

Seit 7 Jahren sind wir im UK. Seit 7 Jahren wird uns von allen Seiten eingebläut, wir sein bescheuert, "jeden Monat Geld wegzuwerfen". Seit 3 Jahren geht es mit den Hauspreisen bergab, langsam, aber doch merklich. Seit 2 Jahren liegen wir auf der Lauer und warten darauf, daß ein besonders schönes Haus zu vernünftigem Preis frei wird. Ebenfalls seit 2 Jahren haben wir einen seriösen Finanzberater. Seit 6 Monaten gucken wir uns Häuser an in unserer näheren Umgebung.

Und nun ist es passiert: Wir haben im Dezember ein Gebot abgegeben, ein paar Wochen lang gehandelt und die Besitzerin hat im Februar akzeptiert. Wow.

Für uns ist es das erste Mal, wir kennen uns nicht aus mit Hauskauf. Ich kann nur aus meinem langen Erfahrungsschatz von mißmutigen Äußerungen auf Twitter schließen, daß Hauskauf kein Sonntagsspaziergang mit belgischen Waffeln sein kann.

Für Euch bedeutet das vermutlich eine Reihe von Berichten zum Thema :-)

Wie findet man denn im UK ein Haus?

Souad vertreibt sich seit Jahren die Zeit damit, auf einschlägigen Websites nach geeigneten oder schönen Häusern zu suchen. Könnte ja mal ein Schnäppchen dabei sein. Beste Quelle ist Rightmove, idealerweise in Zusammenhang mit der Property-Bee Toolbar für Firefox, die einem zu jeder Anzeige sagt, ob sich in letzter Zeit was geändert hat, ob zum Beispiel der Preis gesenkt wurde oder so.

Nur online? Geht man nicht zu Maklern oder so?

Nö. Die Estate Agents haben sowieso alle Häuser online. Online kann man auch viel schöner vergleichen.

(Der generelle Konsens im UK ist, daß Estate Agents die niedrigste Lebensform sind die es gibt, außer vielleicht Kakerlaken.)

Wo ist denn "euer" Haus?

In Heald Green, zwei Häuser neben dem, das wir bei der Auktion vor 2 Jahren nicht ersteigern konnten. Dieses ist im Prinzip gleich nur besser in Schuß. Oder so...

Unser hoffentlich zukünftiges Haus ist dieses.

Und wie kauft man im UK ein Haus?

Im Prinzip ganz unkompliziert.

  1. Haus finden - hatten wir ja schon

  2. Haus besichtigen - da soll man nicht zurückhaltend sein. Ruhig auch mal eins ansehen, das man sich nicht leisten kann. Je mehr man sieht, desto besser kann man abschätzen, wie gut oder schlecht Häuser sind.

  3. Gebot abgeben - nach gängiger Meinung mindestens 20% unter dem "asking price", also dem Preis der in der Anzeige angeben ist. 30% drunter ist sportlich, kann aber durchaus funktionieren.

  4. Verhandeln - "195000? No WAY!", "wir könnten eventuell 198000 zahlen", "unter 210000 geht gar nichts" und so weiter. Das geht immer über den Estate Agent und dauert daher ein wenig.

  5. Mortgage klarmachen - parallel probiert man, das Geld zusammenzubekommen. Dabei hilft der Financial Adviser, der übrigens von der Bank oder building society bezalt wird.

  6. Einig werden - oder auch nicht. Wegen credit crunch leben Verkäufer und potentielle Käufer zur Zeit in Paralleluniversen. Die Vorstellungen vom Preis eines Hauses gehen völlig aneinander vorbei. Nicht unwahrscheinlich also daß man sich nicht einigen kann.

  7. Solicitor aussuchen - ein Solicitor ist ein Notar. Jede Partei hat einen. Der überprüft den Papierkrams ("Haus gehört niemand anders, steht nicht auf ehemaliger Giftmülldeponie", so'n Krams) und setzt den Vertrag auf. Im UK sind die Solicitor traditionell langsam und nervig. Muß man dauernd anrufen und nerven, damit sie überhaupt einen Finger rühren. Und dabei bezahlt man die!

  8. Survey - Die Bank oder building society macht einen einfachen Survey. Da kommt einer vorbei, sieht sich das Haus kurz an und entscheidet dann, ob es ungefähr das Geld wert ist, was man bietet. Die Bank hat ja als Sicherheit nur das Haus und will natürlich im Ernstfall ihre Kohle wiederhaben. Wenn man selber einen guten Teil des Geldes beisteuert, ist das natürlich nicht so kritisch, daher kann dieser Survey bemerkenswert lax ausfallen.

  9. Survey - Wenn man selber keine Überraschungen erleben möchte, läßt man am besten noch einen ordentlichen Survey machen. Könnte ja sein, daß das Dach undicht ist, die Elektrik unsicher oder der Boden morsch. Oder vielleicht sind die Wände naß oder was eben sonst noch so kaputt sein kann.

  10. Mehr Survey - falls der Surveyor was findet, schickt man für bestimmte Probleme nochmal Spezialisten, die dann auch mit konkreten Zahlen rausrücken.

  11. (Bis hier hat man schon ganz gut Geld investiert, aber fest ist noch nix. Man kann jederzeit abspringen, beide Seiten. Toll, oder?)

  12. Nachverhandeln - falls der Survey was aufgetan hat und man überraschend 1000e anlegen muß um ein Problem zu beheben, dann verhandelt man eben nochmal. Durchaus üblich daß der Verkäufer beisteuert. Ansonsten springt man halt ab.

  13. Completion - angenommen alles geht gut, dann werden am "exchange date" die Verträge getauscht, und am "completion date" wird das Geld überwiesen.

  14. Umziehen - im UK ist es üblich, daß alle am gleichen Tag umziehen. Bei einer "chain" von 5 Häusern stehen also eines morgens 5 Umzugslaster irgendwo im UK rum und werden beladen. Die fahren dann mittags los und kommen nachmittags an ihren neuen Häusern an und werden wieder entladen.

"Chain"? Was ist denn das?

In einer chain ist man, wenn der Hauskauf vom Kauf oder Verkauf eines anderen Hauses abhängt. Dann müssen sich alle Beteiligten synchronisieren, "exchange date" ist für alle am gleichen Tag.

In den guten Tagen vor 2008 gab es chains mit mehr als 10 Häusern! Total bescheuert! Man stelle sich eine Leiter vor, auf der 10 Leute genau gleichzeitig auf die nächsthöhere Sprosse steigen. Danke nein.

Die ganze chain bricht zusammen, wenn einer der Käufe durchfällt, aus welchem Grund auch immer. Und das passiert durchaus. Da hat man dann schon 100e ausgegeben und das ganze fällt in's Wasser. Und man hat keinen Einfluß darauf.

Nachverhandeln ist in einer chain sicher auch super. Wenn irgendwo in der chain jemand nachverhandelt, dann propagiert das in beide Richtungen bis zum Ende durch die chain.

Und, ist der Survey ok bei eurem Haus?

Danke der Nachfrage.

Nein, ist er nicht. Der Survey hat zwei große Probleme gefunden: 40% des Bodens im Erdgeschoß sind angerottet und müssen ersetzt werden (GBP 8000) und die Elektrik muß komplett neu gemacht werden (GBP 3000). Tolle Wurst.

Na dann könnt ihr doch sicher den Preis drücken, oder?

Genau das probieren wir gerade. Wir wollen GBP 5000 von der Besitzerin, sonst blasen wir ab. Denn sonst wird das Haus echt zu teuer, wir zahlen eh schon ein wenig mehr als uns lieb ist.

Wir kaufen ein Haus, right?

Seufz...

Zur Zeit können wir nur abwarten.

Wir glauben nicht, daß sie so einfach einen anderen Käufer finden würde. Wenn sie nicht blöd ist, sollte sie die GBP 5000 akzeptieren, aber das hängt natürlich auch davon ab, wie es auf ihrer Seite der chain aussieht...

Unser financial adviser sieht die Sache optimistisch. Der wird aber auch nur Geld sehen wenn's klappt, ist also nicht ganz neutral.

Wir werden sehen, vielleicht heute oder morgen.

Jetzt erstmal arbeiten,
Jan

5.4.2011, 14:30: Estate Agence ruft an und teilt mit, daß Besitzerin das neue Angebot nicht akzeptiert. Tja, dann kaufen wir halt kein Haus.

Die einzige Frage, die sich stellt: dachte sie vielleicht wir bluffen? Falls ja, kommt sie dann in ein paar Tagen und sagt "Na gut, wenn's sein muß..."? Oder ziehen wir doch nach Frankreich?

6.4.2011, 16:30: Estate Agence ruft an und teilt mit, daß Besitzerin doch akzeptiert. YESS! Die dachte tatsächlich wir bluffen.

Ich bin froh, daß Ihr in dieser heißen Endphase an unserer Seite wart. Puh!

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