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Weihnachten Zuhause (updated)

Moin!

Schocker: Ich habe 2010 zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben Weihnachten bei mir gefeiert.

Seit 21 Jahren wohne ich mindestens 800km von Hamburg entfernt und trotzdem oder gerade deshalb war ich jedes Jahr im Dezember bei meinen Eltern.

Als ich noch Student war in Karlsruhe war das völlig normal, so ist das eben bei den meisten Studenten.

Dann zog ich nach Frankreich und wurde vom Studenten zum Auswanderer.

Ganz typisch für Auswanderer: man gibt sein Geld in erster Linie für Reisen zu den Großeltern aus. Bei uns gibt es zum Glück nur sehr selten Konflikte der Art "zu meinen oder zu deinen?" weil wir ja ganz unterschiedliche Feste feiern. Daher fahren wir eigentlich immer im Sommer nach Algier und im Winter nach Hamburg. Das ging jahrelang gut.

Der erste echte Traditionsbruch war völlig zufällig: Unsere dritte Tochter war für den 15. November 2010 angekündigt. Weil die zwei anderen Mädchen jeweils ein paar Tage später als geplant zur Welt gekommen waren und wir keinen Streß wollten, hatten wir frühzeitig beschlossen, dieses Jahr nicht nach Hamburg zu fliegen.

Die Entscheidung war ganz einfach, dauerte vielleicht 20 Minuten oder so. Danach kam dann der Prozeß, wo die Entscheidung langsam durchsickert und die Gewohnheit merkt, daß ihr hier gerade ziemlich derbe der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Nach über 40 Jahren. Autsch.

Keine Gigantomanie

Jedenfalls hatte ich also auf einmal die Verantwortung auf dem Buckel.

Souad hat erwartungsgemäß mit Weihnachten nicht viel am Hut. Sie kann sicher gut Lämmer schächten und so, aber einen ordentlichen Tannenbaum finden oder ihn gar durch allerlei Schmuck und Tüdelei zum Weihnachtsbaum zu machen ist eben nicht ihre Stärke.

Mein Plan war, das ganze gelassen anzugehen. Keine hohen Erwartungen, kein Streß, keine Gigantomanie. Einfach nur ein kleines Bäumchen, vielleicht auf dem kleinen Tisch am Fenster, mit ein paar roten Kugeln vielleicht...

Natürlich kam es anders. Kennt man ja.

Engländer kaufen ihre Bäume sehr früh und stellen sie gerne Anfang Dezember schon auf, damit es die ganze Weihnachtszeit über schön leuchten und blinken kann. Als ich mit den Mädchen traditionell am 23.12. losfuhr zum nächstbesten Baumverkäufer, waren dort nur noch ein Dutzend Bäume übrig, die mir alle nicht so recht gefielen.

Wir fanden beim dritten Versuch dann einen schicken Baum, allerdings war der alles andere als klein. Naja gut. Was soll's. Schmuck hatten wir zum Glück schon relativ früh gekauft und auch fast ausreichend, weil Souad gerne vorausplant. Wegen seiner Größe mußte ich allerdings noch Kugeln nachkaufen.

Die Kinder halfen beim Schmücken, so gut sie konnten oder wollten.

Kerzen

Dazu muß man sagen: im UK gibt es keine Kerzen am Weihnachtsbaum! Die einzige Person, die hier jemals echte Kerzen an einem Baum gesehen hatte, war die Leiterin der Pre School, und die hatte es bei ihrer Oma gesehen, also so vor 40 Jahren.

Man bevorzugt hier ganz klar die Lichterkette. Die gibt's in allen Formen und Farben, mit und ohne Blinken ("7 rythms, with follow mode", was auch immer das heißen mag), und neuerdings mit besonders hellen LEDs, also noch weniger gemütlich.

Zwei Tage vor Weihnachten hatte ich es schon fast aufgegeben, doch dann sah unsere Bekannte Nadia im Internet eine Kleinanzeige: Eine Frau in Cheadle hatte ein paar Kerzenhalter und Kerzen zu verschenken! Woah! Was für ein Glück!

Die Kerzen waren etwa 50 Jahre alt und einigermaßen häßlich, die Halter waren von der ganz billigen Sorte, ohne Gelenk und sie hatte nur 9 Kerzen, aber in der Not frißt der Teufel auch mal Regenwürmer.

Unser erster eigener Weihnachtsbaum - mit richtigen Kerzen!

Der letzte Schliff waren also die 9 Kerzen am Baum, die ich zuallerletzt anbrachte.

Ich war fast ein bißchen nervös - und wenn die Kerzen einfach zu alt waren und nicht brennen würden? Und wieso hatte ich vergessen, eine Glocke zu kaufen? Wo wir bei uns doch mit einer Glocke zur Bescherung rufen!

Die Kerzen waren mir aber wohlgesonnen und brannten gut, wenn auch etwas zügig runter. Und statt der Glocke benutzte ich eine Tasse und einen Löffel, das ging auch ganz gut.

Lilia und Ines fanden den Baum toll und auch die Geschenke. Das war für mich das entscheidende Kriterium. Ich selbst war auch ganz zufrieden. Das mit dem Schmücken müssen wir vielleicht noch ein bischen besser machen. Aber selbst als die 9 Kerzen ausgebrannt waren und Souad die Lichterkette in den Baum drapiert hatte war es ziemlich gemütlich, und darauf kommt es ja eigentlich an.

Ich weiß noch nicht wo wir nächstes Jahr zu Weihnachten sein werden, aber ich weiß jetzt daß es für meine kleine Familie überall schön sein kann.

Hach,
Jan

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