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Englisch, nicht Amerikanisch!

Alles schon dagewesen

Liebe Alle!

Als ich 1998 nach Frankreich umzog, verbrachte ich die ersten paar Wochen damit, ausgiebig über Land und Leute zu lästern, das Wetter zu loben, unterschiedliche Bräuche zu konstatieren, mich über schlechte Banken zu beschweren und große Supermärkte zu loben. Vom Rafting konnte ich schwärmen, Euch ein paar wichtige französische Wörter und Phrasen beibringen, und ich durfte mich über die Französinnen erfreuen.

All das habe ich hier in England einfach so unterschlagen!

Sicher haben die meisten von Euch keinen Bedarf, was die Grundbegriffe der englischsprachigen Kommunikation angeht. Was das Wetter angeht, reicht für den Nordwesten Englands ein einziges Wort ("scheiße"). Die Banken hier sind nach meinen Erfahrungen in Frankreich eine nette Überraschung und für Euch Verwöhnte aus Deutschland nicht der Rede wert. Meine Freizeit verbringe ich mit der Familie, und Engländerinnen kenne ich auch keine.

Bleibt nicht so viel zu berichten, leider. Denkt man. Stimmt aber nicht.

Englisch. Nicht amerikanisch!

Meine Chefin und ich hatten letzten Donnerstag eine Telefonkonferenz mit einem unserer Kollegen in Deutschland. Susan spricht kein Deutsch, also machen wir sowas immer auf Englisch. Und immer wieder seufzt Susan nach dem Auflegen und murmelt: "why? why do they do that?"

Was sie meint ist, daß viele Deutsche ihr Englisch aus amerikanischen Filmen und amerikanischer Musik gelernt haben und daher einen -uhm- unenglischen Akzent und Wortschatz mit sich herumtragen. Bei Engländern stößt das, abhängig vom Grad des Antiamerikanismus, auf Befremden, Mitleid, oder einfach nur pure Ablehnung.

Und damit Ihr, hochgeschätzte Leser, nicht in diese Falle tappen mögt, werde ich mal ein paar Phrasen auflisten, die sehr, sehr britisch klingen.

"Bloody hell!" ist ein Klassiker und immer wieder gerne benutzt. Wichtig ist die Aussprache: Wer im Nordwesten Englands "bluddie l" sagt, ist quasi automatisch akzeptiert. Benutzt man im Selbstgespräch oder im Dialog, hauptsächlich als Ausruf des Erstaunens ("That particular property is worth more than 300000 pounds" - "Bloody hell!").

Wer will, kann übrigens gerne "blimey!" sagen (gesprochen wie "blei mi"). Das ist weniger anstößig als "bloody hell!".

"unlucky" heißt natürlich "Pech gehabt", wird aber beim Fußball auch gerne als Synonym für "schlecht" benutzt. Wenn ich zum Beispiel 20m am Tor vorbei schieße, sagen meine Teamkollegen immer "unlucky". Ausgesprochen wird das hier bei uns im Norden wie "unluckä".

Ganz wichtig: "bollocks". Heißt eigentlich ganz was anderes, wird aber meist wie "Schwachsinn" benutzt. Oder auch wie "Mist". Wird gesprochen wie man's schreibt. Am besten anstelle von "shit" einsetzen.

Auf die Frage "how are you?" antwortet der Einheimische fast immer "not too bad", manchmal auch "yeah, not too bad". Das klingt viel besser als "fine, thanks" oder ähnliches. Und anstatt "how are you?" kann man übrigens gerne "you all right?" oder einfach nur "all right?" fragen.

Zur Verabschiedung werden üblicherweise zwei Wörter ausgesprochen, also nicht "bye", sondern "bye now", "bye love" oder "good bye". Ich habe keinerlei Schimmer, warum das so ist, aber wer nur "bye" sagt, wird ganz klar komisch angeguckt. "Bye now" klingt am besten.

Frauen dürfen Sätze gerne mit "love" beenden, wie im schon genannten "bye love" ("Tschüß, Liebes") oder auch "all right love?". Wundert Euch nicht, wenn Euch jede Frau über 20 "love" nennt, des g'heert so.

20 Pfund sind hier "twenty quid", nicht etwa "20 pounds". Das zweite "t" in twenty wird dabei entweder gesprochen oder halb verschluckt, denn "twenny" würde sich ja amerikanisch anhören!

Ein "bird" ist nicht nur ein Vogel, sondern auch ein Mädchen oder eine Frau. Normalerweise wird das anerkennend benutzt, wie zum Beispiel in "fit bird".

Aussprache

Das "a" sollte man nicht wie ein "ä" sprechen, zum Beispiel in Wörtern wie "passport", sondern unbedingt wie ein "a". Ebenso sollte man das "r" einfach so wie im Deutschen aussprechen, der Zungenknoten wie im Amerikanischen ist hierzulande völlig überflüssig. Und wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich das "t" halb verschlucken. Das klingt dann schon sehr britisch.

Ein "u" spricht man hier gerne wie ein deutsches "u". Hier in Manchester fährt man zum Beispiel nicht mit dem "bass", sondern ganz einfach mit dem "bus". Das oben genannte "unluckä" ist eines der schönsten Beispiele.

"Yes" wird hier im Norden ebenfalls fast deutsch ausgesprochen. Mit einem ganz ordinären "ja" kommt man hier erstaunlich weit, und vor allem hört man es auch an jeder Ecke. Aber auch "yup" wird gern genommen.

Eigentlich ist das auch kein Wunder. Der Westen und Norden Englands ist ja immer mal wieder von "Wikingern" besucht worden, und diese "Wikinger" kamen damals nicht aus Dänemark oder Norwegen, sondern schlicht und ergreifend aus der Gegend um Hannover.

Nicht amerikanisch!

Fast noch wichtiger als gute Phrasen zu dreschen ist es, schlechte Phrasen zu vermeiden!

Auf keinen Fall jemals benutzen sollte man "leverage" ("to leverage the experience"). Das klingt nach Worthülse und Engländer verdrehen heimlich die Augen.

Auch "absolutely" sollte man vermeiden. Engländer benutzen das Wort lange nicht so oft wie Amerikaner. Man kann es schon ab und zu mal sagen, aber nicht mit zu viel Elan, sonst klingt's amerikanisch.

Ebenfalls zu vermeiden ist der "sidewalk". Im UK geht man auf dem "pavement".

Fahren tut man im UK auf "motorways", nicht auf "highways" oder "freeways".

Was genau der unterschied zwischen "highway" und "freeway" ist, hat mir bis jetzt noch keiner so genau erklären können: Jedesmal wenn ich in den USA war und dort Einheimische gefragt habe, bekam ich bisher eine andere Antwort. Wer da genaueres weiß, soll mir das gerne mal erklären...

Und nun zurück zur normalen Aktivität,
Jan

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