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To Old Trafford!

Moin!

Dieses Wochenende war wohl das Manchester-typischste, das ich hier bisher hatte. Und das kam so:

Brennen sollt Ihr!

Am Freitag war wieder das traditionelle Trinken im Pub auf Hyperions Kosten von 5 bis 7. Die Supportmanager (wir haben 4 in Manchester, für die verschiedenen Teams) teilen sich auf, so daß jeden Monat ein anderer "pub duty" hat. Diese Woche war Susan dran, meine Chefin. Aus irgendeinem Grunde bedeutet das meistens eine vergleichsweise hohe Rechnung...

Wir waren diese Woche so um die 15 Leute, darunter die üblichen Verdächtigen: Alan, Stuart, Benoit (zum letzten Mal), Paul, Ben, Nikki und Emilie. Meistens gehe ich vom Pub aus zu Fuß nach Hause, während die üblichen Verdächtigen mit der Bahn oder Taxis nach Rusholme fahren, um dort noch ein paar Pints und ein Curry zu sich zu nehmen.

Bei der Konferenz im Disneyland Paris mit Penny, Sharon und Alan sowie zwei komischen Gestalten.

Diese Woche hatte Souad verkündet, sie würde gerne essen gehen, und so saßen wir also gegen 8 zusammen mit den üblichen Verdächtigen bei einem Inder und waren relativ blau (außer Souad natürlich!). Und in dieser Situation geschah es, daß Alan und ich dachten, wir müssten doch eigentlich mal Vindaloo probieren.

Ein kleiner Curry-Ausflug

In England geht man nicht "indisch essen", sondern "ein Curry essen". Das passt insofern, als die meisten Köche keine Inder sein sollen, sondern aus Bangladesh, aber das nur am Rande.

Es gibt jedenfalls in jedem "curry house" eine gewisse Anzahl von Standardgerichten, z.B. "Tikka Masala", "Rogan Josh", "Madras", "Korma", "Jalfrezi", "Vindaloo" und noch einige andere. Der Name beschreibt jeweils das Drumherum, dazu muß man dann noch sagen, ob man Huhn, Rind, Lamm oder Gemüse will.

Auf der Speisekarte wird meist kurz erklärt, was so ungefähr drin ist in den jeweiligen Soßen, und vor allem sind neben den Namen kleine Pfefferschoten abgebildet, meist zwischen einer und 4. Madras z.B. hat 3 Pfefferschoten, das ist schon für die meisten Leute zu scharf oder zumindest unangenehm. Vindaloo hat 4.

Wer sich mal selber einen Eindruck verschaffen möchte, ist herzlich eingeladen, uns zu besuchen. Alternativ gibt es jede Menge Rezepte, wenn man einfach auf http://www.google.co.uk/ nach Vindaloo sucht.

Brennen!

Wenn man Vindaloo bestellt, wird man von den anderen Gästen komisch oder mitleidig angeguckt. Die Kellner lassen sich nichts anmerken, aber aus dramaturgischen Gründen kann sich der geneigte Leser einfach eine Gedankenblase über des Kellners Kopf denken, in der groß und in verschnörkelter, irgendwie indisch aussehender Schrift "Armer Irrer" steht.

Alan und ich haben schon nach der ersten Gabel unsere Entscheidung bereut. Vindaloo ist eindeutig zu scharf. Es tut im Mund weh, und vom Geschmack merkt man gar nichts. Ein wenig vorgreifend darf ich hier schonmal anmerken, daß Vindaloo nicht nur im Mund wehtut, sondern auch im Bauch und am nächsten Tag auf dem Klo...

Trotzdem haben wir beide unser Vindaloo fast vollständig aufgegessen, wir sind schließlich Männer. Geholfen hat uns, daß Vindaloo zwar derbe scharf ist, in diesem Fall aber wohl nicht besonders sorgfältig zubereitet worden war. Wir haben beide nicht schwitzen müssen, und deswegen glaube ich, daß der Koch einfach nur viel Pfeffer und Chili in die Soße gekippt hat, anstatt sie lange einkochen zu lassen. Mit der Pizza nach dem Fescht 2003 konnte dieses Vindaloo jedenfalls nur knapp mithalten.

Perlen vor die Säue

Am nächsten Tag war ich dank Bier und Vindaloo mehrfach ungern im Bad zugange, bis ich dann gegen 2 breitbeinig aufbrach nach Old Trafford zum zweiten Teil meines britischen Wochenendes. Rik, Susans Mann, hatte am Freitag Susan aus dem Pub abgeholt und dabei mich und Stuart eingeladen.

Rik arbeitet bei einer großen Firma, er hat irgendwas mit Geld zu tun und verdient ziemlich gut. Seine Firma hat einen Fenstertisch im begehrtesten Restaurant Manchesters: Im Stadion "Old Trafford", wo Manchester United spielt.

Als ich mal so Mitte der 90er in einem Stadion war, um Fußball zu gucken, stand man auf Betonstufen. Aber im UK gibt es seit etwa 1995 keine Stehplätze mehr, weil das wohl zu gefährlich war. Und die Stadien haben sich seitdem zu kleinen (oder großen) Unternehmen entwickelt, die so ähnlich arbeiten wie die großen Freizeitparks, also jeder Art von Besuchern etwas bieten wollen.

In Old Trafford gibt es oberhalb der Tribünen (aber unterhalb der zweiten Etage von Tribünen) um das komplette Stadion herum sogenannte Boxen. Die kann man kaufen oder mieten, falls man sich das leisten kann. An der Nord- und Südseite des Stadions sind hier keine Boxen, sondern Restaurants, wo man einen Fenstertisch haben kann, oder einen Tisch ohne Blick, zu dem dann ein Sitzplatz draußen auf der Tribüne dazugehört.

Riks Firma hat so einen Fenstertisch, und da eine endlose Reihe seiner Bekannten keine Zeit hatte, Rik nicht zwei Plätze verschenken wollte, und Stuart und ich zuerst "Hier!" gerufen hatten, fand ich mich also um 17:15 in einem Restaurant in einem Fußballstadion wieder.

Old Trafford ist fast immer voll, etwa 70000 Leute passen rein. Im Restaurant fängt man schon um 3 an, denn man muß ja in Ruhe essen, bevor das Spiel beginnt. Außerdem gibt es ein Gesetz, demnach man nicht gleichzeitig das Spiel sehen und Alkohol trinken darf. Im Restaurant wird daher ab 17h00 kein Alkohol mehr ausgeschenkt, außer hinter einem Vorhang, wo man das Spiel nicht sehen kann.

Stuart und ich sind 20 Minuten zu früh am Stadion, also 2 Stunden und 20 Minuten vor dem Anpfiff. Es ist schon brechend voll, und besonders voll ist es hinter dem Stadion, wo eine Meute Fans darauf wartet, daß die Spieler ankommen. Wir warten etwa 10 Minuten, sehen aber nur den Schiri, und dann fängt es auch schon an fett zu regnen und wir flüchten unter das nächste Dach. Die restlichen Fans lassen sich aber nicht beeindrucken und winken enthusiastisch dem Schiri zu. Warum auch immer.

Das Spiel selber verläuft erwartungsgemäß: Ich erkenne Wayne Rooney und Ronaldo, und Manchester United gewinnt 2:1 gegen Portsmouth. In der Pause trinken wir ein Bier, hinter dem Vorhang natürlich. Nach dem Spiel warten wir noch etwa eine halbe Stunde, bevor wir gehen.

Trotz dieser halben Stunde, und obwohl wir extra eine Station weit laufen stehen wir vor der Bahn Schlange. Scheint so als wäre der MetroLink Betreiber nicht besonders interessiert an schneller Beförderung von vielleicht 50000 Leuten. Kann man auch verstehen, denn die Bahn ist so voll, daß man niemals kontrollieren könnte, und die meisten scheinen auch keine Fahrkarte zu haben.

Eine Stunde (und mehrere Gesänge à la "Your mother's a drunk and your dad's in the nick, you can't get a job 'cause you're too fucking thick" oder "Take me home country roads to the place where I belong ... To Old Trafford, see United ... take me home, take me home") später bin ich wieder zuhause und damit endet dieser Ausflug in die Welt der Briten.

Ich wäre dankbar, wenn niemand Jim und Joe davon etwas erzählte. Jim hatte mich damals vor meinem Umzug nach Manchester hoch und heilig versprechen lassen, ich würde niemals ManU gucken gehen, was ich damals eh völlig absurd fand. Jedenfalls will ich ihm das lieber selber beibringen.

Cheers,
Jan

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