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Seriös

Neues aus England

Auf Anregung von Marc, Sebastian und Arnd habe ich diesmal zwei Neuigkeiten zu verkünden: Erstens werde ich ab jetzt probieren, kürzere Berichte zu schreiben, dafür aber häufiger. Ich erhoffe mir davon, daß mehr Leute die Dinger tatsächlich lesen. Und ich freue mich über Meinungen dazu, auch wenn's "Scheißidee" ist.

Zweitens habe ich mich durchgerungen, auf den "Blogzug" aufzuspringen (jetzt, wo er schon nicht mehr cool ist), zumindest teilweise. Wer immer über die neuesten Berichte informiert werden möchte, kann in einem RSS-Reader seiner Wahl den Feed abbonnieren und bekommt dann immer automatisch mit, wenn ich was an meinen Seiten ändere oder einen neuen Bericht schreibe.

Namen sind Schall und Rauch

Wenn man demnächst Nachwuchs erwartet, sind sie das leider nicht. So kommt es, daß ich hier vor dem Rechner sitze und schon seit geraumer Zeit das "weltweite Internet"™ nach schönen nordischen Vornamen für Mädchen durchsuche.

Souad und ich haben wahrscheinlich noch viele interessante Kompromisse vor uns, denn unsere Kinder werden ja nicht nur in einem mehrsprachigen Umfeld aufwachsen, sondern auch noch zwei völlig verschiedene Kulturen erben. Beim Namen fängt die Sache schon an: Wir hatten uns ganz früh darauf geeinigt, zwei Vornamen zu vergeben. Einer davon sollte im arabischen Sprachraum gut klingen, der andere im deutschen.

Knackig kalt aber schön - Die Ostsee bei Travemünde

Natürlich hat Souad sich schon länger auf zwei bestimmte Namen mehr oder weniger festgelegt, während ich noch überhaupt keinen Schimmer habe. Und deswegen verbringe ich eben zur Zeit rund eine Stunde am Tag mit der Suche, und vor dem Einschlafen wälze ich dann noch den einen oder anderen Vornamen durch mein Hirn.

Gar nicht so einfach. Bestimmt werde ich wieder extrem kreativ sein und meine Tochter "meine Tochter" rufen, so wie ich meinen Kater "mein Kater" nenne. Au weia...

Ich will nicht seriös werden!

Mir ist in letzter Zeit häufiger mulmig, wenn ich mir klarmache, daß ich noch vor etwa einem Jahr Langzeitarbeitsloser war und nun an der Schwelle zu einem neuen Leben stehe.

Im März werde ich vorraussichtlich Vater einer Tochter, der ich dann wohl einen Großteil meines Lebens widmen werde. Das alleine wird schon so viel ändern, wie ich mir wohl zur Zeit gar nicht vorstellen kann. Und dabei mache ich mir schon Gedanken darüber! Sollte ich zum Beispiel alle meine Fotosachen verkaufen? Werde ich überhaupt noch die Zeit haben zu Fotografieren? Oder werden mir Souads Digiknipse und eine Videokamera vollkommen ausreichen für das neue Hauptmotiv? Wann werde ich jemals schlafen können?

Mein Auto muß im April zum TüV in Frankreich, die Versicherung läuft am 2.4. aus, und so richtig paßt ein in Frankreich angemeldetes Linkslenkerauto ja auch eh nicht nach England, also muß ein neues Auto her. Zum Glück sind Gebrauchtwagen im UK relativ günstig. Für unter 2000 Pfund kann man sich zum Beispiel einen schön großen Omega von 1998 kaufen, oder für um die 1500 Pfund einen Passat. Werde ich also demnächst in einem respektablen Auto fahren? Gut für's Kind wäre das ja, ordentlich Knautschzone... Oder werde ich sogar noch Größenwahnsinniger werden und mal sehen, ob ich irgendwo einen dieser Hybridwagen bekomme? Für 5000 Pfund habe ich bereits eins gesehen... nur sind die ja so häßlich.

Budapest sieht aus wie in Herr der Ringe

Und dann habe ich mich noch intern für den Job eines Customer Success Managers beworben. Falls ich den bekomme, ist meine Karriere als Bastler, Programmierer, Reparierer und Installierer für immer vorbei. Der Job ist eher sowas wie ein Account Manager, da geht es hauptsächlich um Kommunikation, Abwägen von "Wie kritisch ist das jetzt?" und zufriedene Kunden. Je weniger man von der Technik versteht, desto besser.

Vater sein? Fast-Neu-Wagen kaufen? Manager sein? Bin das eigentlich noch ich?

Und daß ich letztes Jahr das Fescht verpaßt habe, macht die Sache auch nicht besser. Hilfe!

Nicht seriös, nur älter

Nachdem die Panik verflogen ist und ich wieder nachdenken kann, fällt mir gleich auf, daß ich als Vater so unseriös sein kann, wie ich will. Zumindest solange meine Kinder noch nicht in der Pubertät sind.

Zunächst wäre da die "Duzi Duzi" Phase, während der ein Vater ohne mit der Wimper zu zucken und in aller Öffentlichkeit dahinbrabbeln kann wie ein betrunkener Holländer. Nur immer aufpassen, daß man das nicht tut, wenn das Baby gerade nicht da ist... Dann kommt die "Warum?" Phase, in der man dauernd Sachen erklären muß. Da kann man hervorragend Theorien an's Kind bringen, für die sich einem in gebildeterem Umfeld die Fußnägel hochrollen würden. Und dann kommt das Kind in eine Phase, wo es selber dauernd auf dumme Ideen kommt und einem damit das Leben interessant gestaltet.

In der blöden Fassade des Hilton spiegelt sich ein Turm der Fischerbastei

Wenn meine Tochter dann in die Pubertät kommt, wird natürlich alles anders. Erfahrene Eltern bezeichnen die Pubertät ihrer Kinder liebevoll als "Hölle", gerade wenn es Töchter sind. Aber bis dahin ist es ja noch lange hin, und vielleicht will ich bis dahin ja auch seriös sein, wer weiß. Wie gesagt, das ist noch ein Weilchen hin.

Und das beruhigt mich ungemein. Was ist besser als Kinder, wenn man sich nach kreativem Durcheinander und ewiger Spontanplanung sehnt? Na? Genau: Nichts. "Wer Kinder hat, braucht keine Drogen" hat mal ein großer Geist gesagt (und mein Geist ist zu klein, als daß ich mich noch an den Urheber erinnern könnte). Dieser Teil wird also spannend und turbulent. Sind das Attribute, die man normalerweise mit seriös verbindet? Nein. Gut. 1:0 für die ewige Jugend.

Aber was ist mit dem Auto und dem Job?

Wer mich kennt, kann sich vorstellen, wie selbst das seriöseste Auto nach ein paar Wochen in meinen Händen aussehen kann. 2:0, 'nuff said.

Für den Job habe ich mich ja nun gerade erst beworben. Das erste Interview ("Warum willst Du den Posten?" und andere Trivialfragen) ist bereits überstanden, von meinen 20 Mitbewerbern sollen woll erstmal ein paar aussortiert werden. Wie der weitere Zeitplan aussieht, wurde uns noch nicht mitgeteilt. Ich warte zunächst mal ganz entspannt. Laut meiner Chefin sollte ich gute Chancen haben. Wenn (oder falls) es dann soweit sein sollte, daß man ihn mir tatsächlich anbietet, kann ich mir das mit der Seriosität ja noch einmal überlegen und im Zweifelsfall ablehnen und eine mehr technische Karriere in's Auge fassen. Schaun mer mal.

"Schaun mer mal" sacht er. Ist das etwa seriös? Wo bleibt denn die Planung? Was ist mit den Zielen? Weiß ich überhaupt, wo ich in 5 Jahren stehen will? Nee, weiß ich nicht, 3:0.

Und mit diesem klaren Sieg verabschiede ich mich für heute und wünsche noch eine angenehme Spät- und Restpubertät!
Jan

P.S.: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Gestern den Bericht geschrieben, heute die Email mit der Absage bekommen. Brrr. Meine Chefin meint, der entsprechende Mensch habe nicht an meinem Fähigkeiten gezweifelt, wohl aber an meiner Motivation.

Verdammt, ich bin ein offenes Buch.

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