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Erste Eindrücke

Hi!

So, jetzt bin ich also in Engerland.

Was ist auf den ersten Blick anders? Links fahren natürlich. Nicht daß das irgendwie sonderlich schwierig wäre, es ist aber sicher das auffälligste Zeichen, daß man in England ist...

Also: Links fahren, links, links. Und, schwieriger, erst nach rechts gucken, wenn man zu Fuß über eine Straße geht. Links fahren, rechts gucken. Ganz einfach. Ups, woher kam denn das Auto jetzt? Von rechts natürlich, verdammt... Rechts gucken, mann! Ei ei ei...

Ansonsten ist alles wie immer: Man braucht eine neue Bleibe und das ist schwierig, man braucht ein Konto und das ist schwierig, man braucht einen neuen Taschentelefonvertrag, neue Freunde, neue Schleichwege zur Arbeit, vielleicht ein neues Auto (mit Lenkrad rechts), und so weiter.

(An dem Weg: Ich frage mich, ob ich sollte schreiben benutzend englische Grammatik, so daß Engländer könnten übersetzen meine Berichte auf google.com... aber das würde wahrscheinlich sein schwierig zu lesen für Deutsche in dem langen Lauf. Also ich werde nicht tun es.)

Wir entscheiden uns gegen den Eurotunnel und für die Fähre, schließlich ziehen wir auf eine Insel...

Blutige Banken

Ich weiß nicht, was genau mir da in die Wiege gelegt wurde, aber mit den Banken habe ich wirklich ein Problem. Oder mit Terroristen, je nach Gusto.

Nachdem Souad eine Woche lang mit dem Bus durch die Gegend geeiert war auf der Suche nach einem netten Haus, hatten wir am Wochenende noch weitere zwei davon angeguckt. Wir wußten schon, daß wir dann für unser Wunschhaus eine Bewerbung abgeben mußten, und zwar mit einem Scheck über 80-100 Pfund. Bearbeitungsgebühr. Natürlich.

Zweite auffällige Spezialität in England: Wenn man was will, muß man dafür bezahlen. Das gilt bis in's kleinste Detail. Nichts ist irgendwie selbstverständlich, buchstäblich nichts. Gott, ist das nervig... ich bringe bei Gelegenheit mal ein paar Details dazu.

Was uns erst Sonntag bewußt wurde, bzw. in seiner vollen Bedeutung erst am Montag, ist die Extremparanoia der Banken hier seit dem 11. September. Die sind tatsächlich noch schlimmer als ihre Kollegen in Frankreich!

Kurz gesagt: Es ist verdammt schwierig, in England ein Konto zu eröffnen. Man braucht erstens viel Zeit, zweitens sollte man am besten von einer dritten Person oder Institution vorgestellt werden, und drittens braucht man eine Adresse! Man wird auch mindestens zwei Monate lang keine Karten bekommen.

Die Kreidefelsen von Dover sind auch nicht mehr so weiß, wie sie mal waren...

Schlimmer an der Sache ist, daß man beim Makler in den Bewerbungsunterlagen seine Kontonummer angeben muß. Der Engländer nennt das einen "Fang 22", ich nenne es "Oh mann, nicht schon wieder diese Administrationsscheiße!". Souad nennt es "Streß" und befragte Kollegen meinen, es gibt nur eine Lösung: Die Wohnung bar bezahlen, im Vorraus, zum Beispiel 6 Monate.

Bezahlt man nämlich die Wohnung in bar, ist man nicht nur auf einen Schlag um etwa 3600 Pfund ärmer, sondern man hat auch ohne Probleme eine Adresse und kann dann in Ruhe ein Bankkonto beantragen ("eröffnen" scheint mir hier nicht das richtige Wort zu sein) und alles Weitere in die Wege leiten. Telefon fällt mir da ein, oder auch Internetzugang... ganz zu schweigen von Gehaltszahlungen.

Einfach nur 3600 Pfund hinlegen, zzgl. Kaution natürlich. Dazu kommen dann noch diverse Versicherungen und Steuern, alles in allem wahrscheinlich so an die 5000 Pfund oder 8000 Euro. Lächerliche Summe, darüber kann ich ja nur lachen, habe ich doch schließlich letzten Samstag 15 Millionen Euro im "Euro Millions" Lotto gewonnen, kurz vor dem Aufwachen. Argh!

Ich bin nicht allein

Zum Glück bin ich verheiratet und muß mich nicht allein mit dem Kram rumärgern.

Eine Woche vor mir hat Jean-Marc bei Hyperion angefangen. Jean-Marc hat vorher in Strassbourg gewohnt, hat also einen ähnlichen kulturellen Hintergrund wie ich. Er ist direkt in eine WG gezogen, als er herkam. Die liegt zwar in einem der fiesen Viertel Manchesters, aber er hat eine Adresse, und folglich hat er ein Bankkonto.

Wenn man zu zweit ist, geht das natürlich nicht so einfach über die Bühne. Man zieht nicht in eine WG. Auch die Stufenlösung (ich ziehe in eine WG, Souad kommt nach) kam in unserem Fall nicht in Frage, weil sie gerade mit ihrem Doktor fertig war und daher in Frankreich nichts mehr zu tun hatte.

Also suchen wir zu zweit, und das tut wirklich gut. Ich bin anscheinend nicht sehr selbständig, was solche Dinge angeht...

Dafür bin ich letztendlich verantwortlich für die Auswahl unseres Hauses: Ich hatte gegen Souads Wunschhaus Veto eingelegt, eigentlich ohne so ganz genau zu wissen warum. Ich glaube, es war eine Kombination aus "Garten komplett mit Steinfliesen ausgelegt" und "Wir können doch nicht gleich das erste beste Haus nehmen".

Die drei dann noch übrigbleibenden Häuser waren nur scheinbar Konkurrenten, denn mein Favorit war zufällig auch das Haus, bei dem die Agentur am wenigsten Ärger zu machen versprach.

Ein paar Telefonate der Personalabteilung mit der Agentur und diverse Papiere später war die Sache unter Dach und Fach. Der Garten ist bei unserer zukünftigen Bleibe die Hauptattraktion, und die Straße gefiel mir bei unserem Kurzbesuch auch sehr gut.

Mehr dazu im nächsten Bericht, wenn wir uns das Innere ein wenig genauer ansehen werden. Ihr dürft gespannt sein...

Das Wetter (Regnet doch eh immer...)

Auf dem Weg rauf hatten wir fürchterlich regnerisches Wetter bis kurz vor Paris. Die Côte d'Azur hatte uns vorher mit herrlichem Wüstenregen verabschiedet; ich habe immer noch gelben Sand auf dem Auto kleben. Der Umzugstag war irre! Rote Wolken, Sturm, Regenschauer wie im Norden.

Kurz vor Calais riß der Himmel auf, vermutlich wegen des Sturms. Wir hatten am Morgen in Paris beschlossen, die Fähre zu nehmen: Erstens sind 300£ (=500€) für den Tunnel doch etwas happig im Gegensatz zu den 100€ für die Fähre, und zweitens kann man ja schlecht losziehen auf einer Insel zu wohnen, ohne mit dem Schiff überzusetzen!

Die Kirschen blühen, der Schnee kommt trotzdem...

Die überfahrt war richtig gut. Kinder überall auf dem Schiff kotzten in ihre Tüten und draußen war es extrem naß und kalt und frisch. Nach einer Stunde kam eine Durchsage der Art: "Wir nähern uns britischem Hoheitsgebiet, gleich wird der Alkoholverkauf eingestellt!". Kurze Zeit später konnte man die weißen (naja, fast) Kreidefelsen von Dover sehen, und dann waren wir auch schon da (ab jetzt links fahren!).

Und seitdem war hier nur gutes Wetter! Einmal hat es kurz getröpfelt, einen halben Tag lang war es bedeckt, und das war's schon mit dem schlechten Wetter! Ansonsten ist es sonnig und kalt. Morgens sind die Scheiben am Auto gefroren. Es hat sogar schon zweimal geschneit, kurz: Schönes Wetter.

Nicht daß ich jetzt deswegen enttäuscht wäre, ich wollte es aber mal schnell erwähnt haben, bevor es morgen regnerisch wird... zumindest behauptet das die Wettervorhersage. Ob man der in England trauen kann, weiß ich noch nicht.

Ich bin in dieser Frage unsicher, denn ich habe nur zwei Indizien, und die kann man unterschiedlich deuten: Der Wetterbericht früher in Hamburg war nicht besonders verläßlich, der an der Côte d'Azur hingegen zu fast 100%. Liegt das aber jetzt daran, daß das Wetter in Hamburg viel wechselhafter ist als in Südfrankreich? Reicht es, für die Côte einfach immer nur "sonnig, warm" vorherzusagen, und schon hat man mehr Trefferquote als die beste Vorhersage in Hamburg jemals bringen wird? Oder gab es bei Wettervorhersagen in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte, sodaß man jetzt generell mit einer guten Quote rechnen kann?

Wenn ich Muße und Ausdauer hätte, würde ich mal ein Jahr lang jeden Abend für den nächsten Tag "wechselhaft, vereinzelt Schauer, 11°C" vorhersagen und dann vergleichen, ob die Vorhersage der BBC besser war. Soviel Ausdauer habe ich aber nicht, diese Statistik bleibt Euch also dankenswerterweise erspart.

Und wenn die Queen unter einer Einflugschneise wohnt, dann ist das auch gut genug für mich.

Englisch

Englisch kann ich, sollte man meinen. Und trotzdem habe ich Verständnisprobleme. Wenn wir morgens im Auto zur Arbeit fahren (erstaunliche 5-7 Minuten, die Appartments in Egham sind doch recht nah beim Büro. Kein Wunder, Egham ist recht klein) unterhalten sich drei Engländer, und Jean-Marc und ich sitzen dabei und verstehen nur die Hälfte.

In Frankreich bin ich am Anfang zweimal am Tisch eingeschlafen, weil es so anstrengend war, der Konversation zu folgen. Ich hatte irgendwie vorausgesetzt, das würde hier anders laufen, aber da habe ich mich wohl geschnitten. Vermutlich ist englisches Englisch eben doch nicht das, was wir in Schule und Kino lernen. So muß sich also ein deutschsprechender Ausländer in Baden fühlen...

(Ahm... jetzt habe ich mich ein wenig reingeritten, oder? Kein Problem, nichts was ich nicht noch verschlimmern könnte!)

Ich will nicht unterstellen, Engländer seien die Badener (oder -noch schlimmer- die Schwaben) unter den Anglophonen! Damit täte ich dem Akzent hier Unrecht, ehrlich. Englisch klingt in meinen Ohren weitaus besser als jedes noch so warmherzige "Hajo". Der naheliegendere Vergleich wäre der zwischen Bill Clinton oder dem Bush auf der einen Seite und John Cleese auf der anderen. Der Punkt geht eindeutig an John Cleese!

Ok, noch ein Vergleich: Sandra Bollocks gegen Queen Elizabeth die Zweite. 2:0 für Großbritannien. Wie wär's mit Ray Cokes gegen Bruce Willis? Ein weiterer Punkt für das sympathische Inselvolk!

Doch was ist das? Herr Willis scheint mit dem Ergebnis unzufrieden zu sein, er kommt grimmig schauend auf den Schiedsrichter zugelaufen! Ich glaube, wir müssen das Ergebnis noch einmal überdenken! Tumult auf dem Spielfeld, Roy Cakes hat aufgegeben, der Sieger ist Herr Willis. Ein sympathischer junger Mann, der Herr Willis, freundlich und hilfsbereit. Er hat den Punkt wirklich verdient. Kein Vergleich mit diesem dürren Möchtegernhippie!

Wenden wir uns dem nächsten Vergleich zu: Clint Eastwood gegen Ian McKellan. Den Kontrahenten wurden großkalibrige Colts und Zauberstab abgenommen, die Sache ist also eindeutig. Zudem mußte die Hälfte der Worte aus dem Munde des Herrn Ostgehölz zensiert werden. 3:1 also für die Inseln, und wir sind noch nicht durch!

Auf der kleineren Bühne hinten ist gerade der Kampf Sam gegen Pippin klar an letzteren gegangen, auch wenn wir nicht so genau wissen, was Pippin eigentlich gesagt hat. Und gleich nebenan hat Sting ohne größere Probleme einen erschöpft wirkenden Michael Jackson um den letzten Punkt geredet.

Die Briten gewinnen am Ende verdient mit 5:1 vor ausverkauftem Stadion, ein schöner Auftakt für die Anglopiade! Wir sind gespannt auf die Commonwealth-Staaten, mit denen sich Großbritannien ab morgen messen muß. Angstgegner Indien hat ja dieses Jahr mit Mahatma Gandhi einen ganz großen Star im Aufgebot!

Am Rande der Spiele werden wir in den nächsten Tagen noch Zeugen einiger ganz exquisiter Vergleiche: Kylie Minogue gegen J-Lo z.B. sollte ein Hit werden, und da ist uns auch vollkommen egal, was genau verglichen werden wird...

Schlusswort

Fassen wir nochmal kurz zusammen, was wir bisher über England gelernt haben:

Ja, das paßt.

Wenn wir Mitte März wieder in Manchester sind und die Schonfrist vorbei ist schreibe ich weiter. Im nächsten Bericht werde ich euch z.B. mit Einheiten verwirren und mit fettfreiem Öl besprühen. Bis dahin noch einen entspannten Abend,
Jan

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