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Au revoir!

Neujahr!

Eindeutig

Ich lästere ja häufig über die Behörden in Frankreich, nun muß ich aber mal ein wenig zurücksetzen und von einem deutschen Erlebnis berichten, erlebt am 29.12. in Bergedorf...

Zunächst, wie üblich, der Plan: Früh aufstehen, zum Bürgerzentrum (Wentorfer Straße 15) pilgern, Souads Paß und eine Unterschrift meines Vaters auf einem Anmeldebogen vorlegen, Meldebescheinigung erhalten, ins Standesamt gegenüber (Wentorfer Straße 30) tigern, Meldebescheinigung abgeben und einige Zeit danach ein deutsches Familienbuch bekommen.

Warum wir ein deutsches Familienbuch wollen? Damit wir in ein paar Jahren die Kinder darin eintragen können. Ich bin ja ein Freund der mehrfachen Staatsbürgerschaft. Und warum muß sich Souad dafür in Hamburg anmelden? Weil das Familienbuch sonst vom Standesamt Berlin 1 ausgestellt würde. Und was ist daran schlimm? Die brauchen für solche Vorgänge normalerweise etwa 3 Jahre. Und wenn dann ein Schreibfehler drauf ist, dauert es nochmal 3 Jahre? Haha... Ja. Echt? Ja. Oh...

Von Mensch zu Mensch

In Frankreich wäre die Sache komplizierter gewesen. Wir hätten vermutlich dutzende verschiedener Papiere und Bescheinigungen vorlegen müssen und das entscheidende Dokument hätte trotzdem immer gefehlt. Dann hätte man diskutiert und "irgendwie" doch noch eine Lösung gefunden.

Aber in Deutschland ist ja zum Glück alles geregelt und nicht von der Mondphase abhängig.

Das Bürgerzentrum Bergedorf ist eine sehr angenehme Weiterentwicklung der alten Meldebehörde. Man muß zwar immer noch auf seine Nummer warten, bevor man dann an eine Sachbearbeiterin gerät, aber es gibt einen Empfang, der kurz guckt, ob es sinnvoll ist, überhaupt zu warten, der also prüft, ob man alle nötigen Papiere hat und so. Das finde ich sehr praktisch.

In unserem Fall nimmt die junge Frau am Empfang Paß und Meldebogen mit Unterschrift meines Vaters in die Hand, zieht die Nummer, und fragt fast nebenbei, ob meine Eltern denn Eigentümer seien. Ich sage "Äh, nein, die sind Mieter". Die Frau erstarrt in der Bewegung, tötet mich mit einem gezielten Blick und wirft dann den Meldezettel in den Papierkorb: "Das geht nicht. Ich brauche eine Unterschrift vom Vermieter."

Argh. So ein Scheiß. Wieder draußen erkläre ich das Problem. Wir beschließen, die Prozedur über Berlin zu starten. Falls wir im Laufe des Jahres nach Deutschland ziehen sollten (man weiß ja nie), können wir es ja vielleicht im betreffenden Ort bekommen. Im Standesamt sagen uns dann allerdings die beiden anwesenden Mitarbeiter, daß das keine gute Idee sei. Eine Prozedur aus Berlin wieder zurückzuholen könne auch gerne mal drei Jahre dauern. Die zwei empfehlen uns, die Anmeldung per Vollmacht von meiner Mutter machen zu lassen, oder bei unserem nächsten Aufenthalt in Hamburg. Eilt ja nicht.

Wir ziehen also los, Souads Paß zu kopieren. Dann wollen wir die Kopie beglaubigen lassen und meiner Mutter hinterlassen. Wo beglaubigt man wohl eine Paßkopie? Früher ging das im Rathaus, also könnte es heute im Bürgerzentrum gemacht werden, oder?

Wie Gott in Frankreich...

Am Empfang sitzt jetzt eine andere junge Frau. Sie nimmt Paß und Kopie und fragt, was wir denn damit wollten:

Junge Frau: Wofür brauchen sie die denn?
Ich: Damit meine Mutter per Vollmacht meine Frau hier anmelden kann und wir ein deutsches Familienbuch beantragen können.
JF: Und wieso melden sie sie nicht jetzt an?
I: Weil wir nicht die Unterschrift vom Vermieter haben und morgen wieder abreisen. Ich bin ja auch nur bei meinen Eltern gemeldet.
JF: Wie ist denn die Adresse?
I: Reinbeker Weg
JF: Sehen sie ihre Eltern heute noch?
I: Äh, wieso?
JF: Na dann besorgen sie eine Unterschrift ihrer Eltern. Wir haben bis 4 geöffnet.
I: Also die Unterschrift meines Vaters liegt da neben ihnen im Papierkorb.
JF: ??? (der Blick war super!)
I: Die hat ihre Kollegin vorhin weggeworfen.
JF: Hä? Wieso das denn?
I: Keine Ahnung. Sie hat nur gesagt, daß wir eine Unterschrift vom Vermieter bräuchten.
JF: Ah. Ist die Wohnung gefördert?
I: ???
JF: Sozialwohnung? Paragraph 5?
I: Nö.
JF: Also dann weiß ich nicht, was die Kollegin sich gedacht hat.

Sie fischt ein wenig im Papierkorb und findet den Zettel. Dann gibt sie uns eine Nummer, murmelt was von "Versteh' nicht" und wir warten. Eine halbe Stunde später sind wir mit dem Meldezettel beim Standesamt, welches gerade vor ein paar Minuten zugemacht hat, treffen aber per Zufall im Flur einen der zwei Menschen von vorhin und können ihm den Zettel unterschieben.

Das Meer, die Berge, das Wetter, ...

Moral von der Geschicht: Ich wohne schon zu lange im Ausland. Anscheinend fange ich an, Dinge in meiner Erinnerung besser zu sehen, als sie sind: Auch in Deutschland hängt der Erfolg eines Behördenganges vom Gegenüber ab. Und ich frage mich, ob wir wohl in den Augen der ersten jungen Frau so aussahen, als wäre die Frage nach der Sozialwohnung überflüssig, oder ob sie einfach nicht wußte, daß da mit zweierlei Maß gemessen wird. Und wieso wird es das überhaupt? Sind Leute, die in nicht geförderten Wohnungen leben, per se vertrauenswürdiger? Merkwürdig...

Vielleicht sollte ich die Bild einschalten und einen großen Skandal daraus machen: "Hamburg: MIETER = LÜGNER???" wäre doch eine tolle Schlagzeile, oder? Zumindest besser als "Antimaterie frißt Krebszellen" oder ähnlicher Quatsch.

Was ganz anderes...

Ich erzähle euch lieber von einem ganz gewöhnlichen Tag aus meinem Leben. Sicher denkt ihr "der schläft immer bis 2 und hängt dann bis zum Abendessen rum", aber da liegt ihr falsch! Und hier kommt der Beweis, erbracht am 27.1.2004.

Am Vorabend des 27.1. ging es mir ziemlich mies. Ich war morgens bei Eurécom gewesen, um der ersten Probevorführung des Doktorarbeitsvortrages meiner Frau beizuwohnen, fühlte mich da aber schon nicht so richtig fit und verließ gegen 11 fluchtartig das CICA, weil es schnell bergab ging und mir ein wenig übel wurde.

Auf dem Weg nach Hause mußte ich kurz anhalten, die Autotür öffnen und auf die Straße -ähm- aufstoßen, und zuhause ging das auch gleich so weiter. Um 1 hatte ich schon 39° Fieber und lag im Bett, neben mir mein Telefon, denn ich erwartete den Anruf eines englischen Headhunters, der mit mir ein telefonisches Vorstellungsgespräch mit einer ebenfalls englischen Firma vereinbaren wollte.

Das geschah auch kurze Zeit später, und zwar wurde das Gespräch für den nächsten Tag um 11 vereinbart, also heute. Ich hatte auch das Gefühl, bis dahin wieder fit sein zu können.

Die Nacht war nicht so toll. Irgendwie war ich die ganze Zeit wach. Und eine komplette Flasche Wasser habe ich getrunken.

...all das werde ich aufgeben.

Am Morgen wachte ich so gegen halb 9 davon auf, daß Souad aus der Dusche kam. Pflichtbewußt wie ich bin, stand ich also auf, oder zumindest versuchte ich das, war nämlich gar nicht so einfach.

Apropos: Ich stehe immer so früh auf, weil Souad überhaupt nicht glücklich ist, wenn ich noch im Bett liege, wenn sie geht. Früher war mir sowas ja egal. Da habe ich noch locker morgens "GRRRRR!" gesagt und mich umgedreht, und mittags lag ich dann quasi schon fertig im Bett, bereit zu einem kleinen ... aber auf sowas scheinen Frauen irgendwie überhaupt nicht abzufahren.

So oder so, heute mußte ich ja eh noch die Webseiten der englischen Firma durchgucken, die ich gestern einfach dank Kopf und Magen nicht mehr ansehen konnte. Soso, die machen also Business Intelligence Software. Aha. Was das wohl sein mag?

Während ich also ein paar Seiten las, schlief ich mehrmals ein, und irgendwann merkte ich dann auch, daß ich wirklich vollkommen fertig war und sogar Probleme hatte, einfach nur aufrecht zu stehen. Das ist eine beeindruckende Erfahrung, die ich mir allerdings an einem anderen Tag gewünscht hätte.

Gegen 12 rief der Headhunter an und wollte wissen, wie das Interview gelaufen sei. Ich erklärte ihm, daß mich bisher niemand angerufen habe. Er versprach, das zu regeln, und nur 15 Minuten später klingelte das Telefon.

(Abschweifung zum Thema Telefon (die nachher noch eine wichtige Rolle spielen wird!): Mein Taschentelefon ist sozusagen mein Haupttelefon. Ausgerechnet bei uns zuhause ist aber der Empfang an manchen Tagen etwas rauschig. In solchen Fällen benutze ich dann unser Festnetztelefon, welches ebenfalls schnurlos ist, also schön komfortabel (was gibt es schöneres, als beim Telefonieren auf und ab zu gehen?). Das Festnetztelefon hat aber einen Nachteil: Die Akkus sind sehr, sehr schwach auf der Brust. Wenn man das Teil nun aber einfach in der Ladestation läßt, werden sie noch schlechter. Ich bin mittlerweile relativ geschickt geworden im Umgang mit diesem Teil, weiß also wann und wie lange es jeweils in oder neben der Ladestation liegen muß, aber morgen fliegt es raus. Soviel jetzt schon.)

Die Sonne steht schon sehr tief über den schneebedeckten Alpen.

Der Mensch von der Firma ruft also auf dem Festnetztelefon an (das ich schön am Abend vorher leertelefoniert und dann die ganze Nacht geladen hatte) und wir starten mit dem Interview, das sehr technischer Natur sein wird. Der Mann erklärt mir gleich zu Anfang, daß er nicht erwartet, auf alle seine Fragen eine Antwort zu bekommen. Jemand der alle Fragen beantworten könne, würde ihm Angst einjagen.

Die erste Frage klingt nach Vorstellungsgespräch: "Worauf sind sie stolz (was ihren Beruf angeht)?" und kostet mich nur ein müdes Lächeln: "Foto Timer, 12000 Downloads". Dann allerdings legt er direkt voll los mit einer Frage, die jetzt leider nur die Informatiker unter uns bewerten können: "Sagen sie mir doch mal ein beispielhaftes SQL-Statement".

Über "Wie startet man unter NT einen Dienst auf der Kommandozeile?" und "Nennen sie mir 10 Unix-Kommandos und was sie tun." geht es dann munter eine Zeitlang weiter, und klick

Was? Scheiße! Gibt's doch nicht! Verdammtes Telefon! Nichtmal 20 Minuten telefonieren kann man mehr damit! WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!

Er ruft natürlich wieder an, und da man mit dem Ding auch telefonieren kann, wenn es in der Station steckt (man muß es dann nur gut festhalten), setzen wir das Gespräch noch weitere 20 Minuten fort. Mein Gesprächspartner zeigt sich positiv ("you did quite well"), und das berichte ich dann auch dem Headhunter.

Ich muß rückwirkend gestehen, daß ich hätte weitaus besser sein können, aber ich war wohl doch noch etwas zu krank. Mir sind zum Beispiel nur mit Mühe die 10 Unix-Kommandos eingefallen, und das ist eigentlich eine Schande. Eine Minute nach dem Ende des Interviews lag ich jedenfalls schon wieder im Bett.

Die Sonne geht unter, das Licht wird rötlich...

Damit endet dieser Tag, und das ist auch gut so. Als Schmankerl hier was ich eigentlich noch hätte tun sollen:

So, und jetzt sag' noch jemand, Arbeitslose hätten nichts zu tun!

Was das Telefoninterview angeht, war ich nicht so gut wie ich dachte. Mein Gegenüber gab mir 46%. Das betraf aber, wie schon gesagt, nur technische Aspekte, und liegt auch hauptsächlich daran, daß ich auf zwei Gebieten gar nichts wußte.

Au revoir!

Ein paar Tage später, und ich weiß jetzt, daß dies der letzte Bericht aus Frankreich sein wird. Das liegt in diesem Falle nicht daran, daß mir nichts mehr einfällt, sondern daran, daß es ab jetzt Berichte aus England geben wird! Jawohl, ich ziehe nach Manchester. Mit Kind und Kegel.

Die guten Seiten:

Die weniger guten Seiten:

Der wirklich wichtige Aspekt ist natürlich, daß ich endlich wieder einen Job habe. Das war wirklich mal wieder nötig, und zwar dringend. So gesehen ist alles Andere Beiwerk, ob nun schmückend oder nicht. Und deswegen bin ich auch nur ein ganz kleines bißchen frustriert, hauptsächlich weil ich von hier weg muß.

Für euch ist das in jedem Fall ein Gewinn, denn ab jetzt gibt es Neuigkeiten aus dem Land der Linksfahrer! Und daß die Engländer skurril sind, weiß ja jedes Kind! Das kann nur interessant werden...

Lovely,
Jan

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