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Keine Nüsse

Ho! Ho! Ho!

Da mir zur Zeit nicht besonders nach Weihnachten zumute ist, geht es in diesem Bericht zwar um Nüsse, aber nicht um solche, die man neben Adventskränzen und unter Tannenbäumen findet.

Schlechtes Gewissen

Seit ich am letzten Samstag den Termin beim Tierarzt fest vereinbart hatte, hatte ich aus irgendeinem Grund leichte Schwierigkeiten, den Kater anzugucken, ohne dabei an seine baldige Kastration zu denken. Ich ertappte mich mehrmals dabei, wie ich ihn zu "einem letzten Streifzug" animierte oder "mein armer Halbkater" zu ihm sagte.

Ich mag meinen Kater ja wirklich gern, aber übertreibe ich da nicht doch ein wenig? Mir kam der Verdacht, ich sei vielleicht in Wirklichkeit ein ganz übler Macho, den allein das Wort "Kastration" fürchterlich erschreckt. Andererseits: Wie soll mein armer Kater denn bitte in Zukunft den anderen Katern aus der Gegend entgegentreten? Das merken die doch sofort!

So oder so, ein kastrierter Kater hat etwa die doppelte Lebenserwartung gegenüber einem nicht kastrierten, also ist es die Sache wert. Und mein Kater ist zwar ein kleiner Feigling, greift also unter Garantie niemanden an, kommt aber trotzdem (oder gerade deswegen) relativ oft ramponiert und geschunden nach Hause. Es ist also nur gut für ihn, auch wenn er das vielleicht anders sieht. (Ich an seiner Stelle würde es definitiv anders sehen!)

Als Vorbereitung auf die OP darf der Kater zwölf Stunden vorher nichts essen oder trinken, muß also auch über Nacht im Haus bleiben. Das mag er normalerweise nicht, wir richten uns also auf eine schlaflose Nacht ein, insbesondere weil der Kater am Montag den kompletten Tag auf dem Bett verschläft und damit am Abend rechtzeitig topfit ist.

Mein Kater - noch mit - in seiner Wohlfühlpose

Schicksal

Wie es der Zufall so will, kommt es alles etwas anders als geplant: Montag werden Souad und ich von der grassierenden Grippewelle heimgesucht und niedergestreckt. Sie verschwindet gegen Mittag im Bett und beschwert sich fortan, ihr Kopf würde gleich explodieren, während ich erst am frühen Abend plötzlich fürchterlich friere, pünktlich zur Abendessenszeit kotze und ansonsten auf dem Klo sitze.

Der Kater hat natürlich für solche Kinkerlitzchen kein Verständnis, er will einfach nur raus, und zwar sofort! Er heult die komplette Nacht rum, zuerst überall, später dann nur noch im Wohnzimmer, nachdem wir die Tür zum Schlafzimmer mit einem Möbel verbarrikadiert haben. Dummerweise ist nämlich vor ein paar Wochen der Dingens rausgefallen (keine Ahnung, wie das heißt. Das Ding was sich wegzieht, wenn man die Klinke drückt, und zurückschnappt, wenn man sie losläßt). Außerdem schmeißt er das mittlerweile zu klein gewordene Katzenklo um und verstreut das Katzenstreu.

Noch ahnt er nichts Böses...

Am nächsten Morgen fühle ich mich so schlecht, daß ich nicht mitfahre zum Tierarzt. Ich packe nur den Kater in den Transportkorb und höre ihn laut klagen, während Souad (der es wieder besser geht) ihn zum Auto trägt. Ich schließe die Wohnungstür (verdammt kalt) und höre sie dann hupen. Na klasse, der Kater hat sich befreit!

10 Minuten brauchen wir im Auto, bis wir den Kater wieder in seinen Korb befördert haben, und diesmal tape ich die Tür zu, so. Katzen sind verdammt zäh.

Fertig

Nach der letzten Narkose (wegen einiger Verletzungen, wohl nach einem Kampf) hat mein Kater erstmal ein wenig in die Wohnung gekotzt — ging mir ja nicht anders, also nehmen wir diesmal vorsichtshalber die Teppiche und Fußmatten weg. Um genau zu sein: Ich tue das, und zwar so um 19:00, gleich nach dem Aufstehen, mit einem dicken Brummschädel und ohne jeglichen Hunger (das macht mir Sorgen, ich habe seit gestern Mittag nichts gegessen). Ich lüfte auch noch ein wenig, denn das umgekippte Katzenklo stinkt.

Der Kater ist aber erstaunlich gut in Form, als er eine Viertelstunde später nach Hause kommt. Er taumelt nicht und fällt auch nicht unmotiviert um. Die scheinen ihn also wirklich gleich am Morgen operiert zu haben.

Das Leben ist sogar angenehm.

Zunächst will er was zu Futtern und zu Trinken haben. Das dürfen wir ihm leider nicht geben. Dann will er raus. Das darf er auch nicht, und zwar volle 48 Stunden lang, von denen ich jetzt schon weiß, daß ich sie nicht durchhalten werde. Mir tut er ja eh schon leid, mein entmannter Kater, und dann heult er auch noch rum, als würde er gleich anfangen zu sprechen, bzw. zu klagen.

Die Nacht ist gar nicht so schlimm. Entweder ist der Kater eben doch noch nicht voll wieder da, oder wir merken nichts von ihm, weil wir beide krank sind. Mir geht's auch am Morgen noch so schlecht, daß ich zuhause bleibe (haha).

Der Kater klagt nicht mehr, sondern guckt mich nur noch vorwurfsvoll an oder wendet mir den Rücken zu. Am Nachmittag probiere ich, ihn ein wenig zu belustigen, indem ich zwei Walnüsse über den Boden rollen lasse. Er tatzt halbherzig daran rum und mir fällt auf, daß es gut ist, daß mein Kater kein größeres Hirn hat: Sicher hätte er es als grobes Foul gewertet, daß ich zum Spielen ausgerechnet zwei Nüsse aussuchen mußte.

Au.

Ich lasse ihn raus.

Und am späten Abend gestatte ich mir ein paar Nudeln, die mir zwar ein komisches Gefühl bescheren, sich ansonsten aber verdauen lassen, anstatt sofort wieder raus zu wollen. Sieht doch alles wieder ganz gut aus.

Schöne Weihnachten Euch Allen!
Jan

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