Gleich nochmal hallo!
Wie der Zufall manchmal so spielt: Da berichte ich über Trockenheit, Hitze und Feuersbrunst, und nur zwei Tage später werde ich Zeuge eines Brandes, der 400 Hektar Wald und 15 Villen zerstört, zum Glück aber keine Opfer fordert.
Und das kam so...
Umzug
Souad und ich haben eine Wohnung gefunden, die wir von September bis Juni bewohnen werden. Am Samstag (30.8.) räumen wir ihre Wohnung aus und fahren Kartons und Möbelstücke in die neue Wohnung, die etwa 2 Minuten von der Pitou entfernt liegt, schön nahe also.
Den ganzen Tag über zieht eine seltsame Rauchfahne von irgendwo westlich von Grasse her über unsere Köpfe hinweg, von der ich bis heute nicht weiß, ob sie wohl von einem Feuer stammt oder nicht. Sie roch aber nach Feuer.
Am Sonntag ruhen wir uns aus und beschließen, ihren Eltern ein wenig die Berge zu zeigen, die ja doch irgendwie ziemlich schön sind hier. Der Tag ist ebenfalls schön, klar, sonnig und mit einem starken Wind. Der Mistral bläst schon seit Samstag und macht die Luft angenehm trocken und kühl.
Ich stehe auf der Terasse und verfolge die Diskussion über das nötige Schuhwerk mit halbem Ohr (höchstens). Von der Terasse aus kann man ziemlich genau nach Osten gucken. Man sieht ein paar Berge hinter Nice aber keine Orte oder Häuser, weil gleich der erste Hang gegenüber zu hoch ist.
Ich sehe eine merkwürdige Wolke, die sehr tief liegt und ein wenig bräunlich ist. Ein Feuer! Natürlich, das muß ein Feuer sein! Ich frage mich, welche Orte da wohl liegen mögen. Biot vielleicht, oder Cagnes oder vielleicht irgendein nördlicher Teil von Nice?
Weil man das Feuer auf dem Weg in die Berge bestimmt besser sehen kann, nehme ich Fernglas, Kamera, Teleobjektive und Stativ mit.
Rummel
Ich werde nicht enttäuscht. Auf einem Parkplatz an der Straße nach Gourdon stehen schon ein paar Leute und gucken Richtung südost. Eine große Rauchwolke hängt an einer Bergkuppe. Man sieht im Fernglas vereinzelt Flammen, und dann kommen von Westen her die ersten Canadairs zum Löschen.
Um uns herum wird wild spekuliert. "Vence, das ist Vence!", "Nee, Vence ist viel weiter nördlich. Das ist im Var-Tal.", "Ob das Biot ist?" und "Bestimmt irgendwo zwischen Cagnes und Vence" hört man, letzteres stellt sich später als zutreffend heraus.
Ich mache eine Reihe Fotos, dann werden leider meine Schwiegereltern ungeduldig und wir fahren weiter in die Berge.
OCA
Vom Hochplateau des Observatoire Côte d'Azur aus kann man das Feuer nicht sehen, ein Berg ist genau im Weg. Man sieht aber auf beiden Seiten des Gipfels die Rauchwolke, die mittlerweile schon bemerkenswert gewachsen ist.
Wir verbringen eine Stunde beim Observatorium, laufen ein wenig herum, knipsen Kuppeln und uns gegenseitig. Der Wind ist klasse! Sturm ist das noch nicht, aber so gut wie jeder schöne stark windige Tag an der Nodseeküste ist es allemal.
Auf dem Weg wieder runter stoppen wir in Gourdon. Auch von hier kann man den Brand nicht sehen, aber die Rauchwolke, die zwischenzeitlich mal kleiner zu werden schien, sieht jetzt doch wieder imposant aus. Ich kann es mir nicht verkneifen, mich auf den Weg nach unten und den zweiten Stop am Parkplatz zu freuen.
Viel Rummel
Es wird fast schon schwierig, an der normalerweise nicht sehr vollen Straße noch einen Platz zu finden, wo man anhalten kann. Einige Dutzend Menschen stehen am Geländer und sehen dem Schauspiel zu.
Mittlerweile wissen die meisten auch schon, wo das Feuer brennt: In einem höher gelegenen Teil von Cagnes-sur-Mer, les Hauts de Cagnes, irgendwo an der Straße nach Vence. Man spricht davon, das Feuer sei im Begriff, nach la Gaude weiterzuziehen.
Ich mache noch ein paar Fotos. Die Rauchwolke ist mittlerweile spektakulär. Sie ist jetzt in der Höhe vergleichbar mit den Bergen in der Umgebung, also wahrscheinlich so um die 500m hoch oder mehr, und nach Nordosten und Südwesten zieht sie lange Fäden. Wir sind uns sicher, daß der Flughafen gesperrt werden muß, wenn die Wolke noch größer wird...
Die Anwesenden sind hin und her gerissen zwischen "Oh Gott, ein Feuer! Die armen Leute da unten!" und dem Anblick der Wolke, die mittlerweile fast wie ein Atompilz aussieht. Man hat den Eindruck, sie kreise spiralförmig in die Höhe. Allein die schiere Größe ist atemberaubend.
Fernsehen
Am Abend in den Nachrichten geht es hauptsächlich um die Feuer auf Korsika und im Var.
Im Norden Korsikas brennt so gut wie alles. Ein Fernsehteam wird in einem hochgelegene Ort eingeschlossen und bekommt sehr hautnah mit, wie die Leute versuchen, ihre Häuser zu retten, teilweise mit Wasserschläuchen, Eimern oder sogar Wasserflaschen.
Im Var scheint ein Zündler es auf das Massif des Maures abgesehen zu haben. Er legt immer neue Brände und fordert die Feuerwehr seit Wochen zu Höchstleistungen heraus. 3 Feuerwehrleute sind bereits Opfer der Flammen geworden und die ganze Gegend ist hysterisch.
In Cagnes-sur-Mer haben die Leute mehr oder weniger Glück gehabt, niemand ist verletzt worden. Dennoch sind 15 Villen verbrannt und ein Campingplatz. Interviewt wird ein Mann in Unterhose, T-Shirt und Schuhen, der seine komplette Habe im Feuer verloren hat, bis auf die eben erwähnte Kleidung. Die Innereien seines Hauses sind zu dubiosen Klumpen verschmolzen. Und jede Menge Autos hat es erwischt, die an den Straßen standen.
Auf der Terasse sieht man im Abendrot die Canadairs ihre letzten Runden drehen, die Rauchwolke ist jetzt wieder klein. Das Feuer ist komplett gelöscht, eine kleine Meisterleistung angesichts des Windes...
Hm...
Ich glaube, ich hatte jetzt genug Feuer fürs Erste. Ich bin sehr froh, daß dieses doch recht weit weg war und nicht die Pitou oder mein neues Zuhause erwischt hat. Und im Gegensatz zum Feuer vom September 2001 waren bei diesem Feuer Menschen in Gefahr. Vielleicht lag es auch an der Stimmung am Parkplatz, ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich froh, daß das Feuer gelöscht ist.
Aufatmend,
Jan
Nachtrag: Eigentlich wollte ich nur noch morgen die Dias abholen, scannen und dann den Bericht verschicken. Aber...
Gegen 5 fahre ich Richtung Antibes, um meine Schwiegereltern vom Busbahnhof abzuholen. Auf dem Weg dahin rieche ich Rauch. Nee, oder?
Doch, es brennt. Es brennt zum vierten Mal an einer Stelle, an der schon drei Brände ausgebrochen sind in den letzten Wochen — ich erwähnte das, glaube ich.
Die Feuerwehr und die Leute vom DFCI sind schon da und löschen. Eine Gruppe Anwohner steht an der Straße, eine Spur ist blockiert. Trotzdem kommt man überraschend gut durch. Ich habe den Eindruck, das Feuer sei unter Kontrolle.
Später auf dem Weg zum Busbahnhof in Sophia begegnen mir dann noch:
- Ein Geländewagen des DFCI
- Ein Polizeiwagen mit Blaulicht in der Mitte der Straße
- Ein großer Tankwagen der Feuerwehr
- Mehrere Hubschrauber
- Ein Löschwagen der Feuerwehr
- Eine Kolonne Laster des DFCI
So klein war der Brand dann wohl doch nicht. Und immerhin ist er recht nah an einer dubiosen Siedlung (dubios, weil es einerseits ein kleines Dorf ist, andererseits aber Privatgrundstück und für Nicht-Anwohner verboten), da kann man ja ruhig mal dick auftragen.
Und natürlich stellt sich bei mittlerweile vier Bränden an der Stelle die Frage, ob da wirklich nur Zigarettenstummel schuld sind, oder ob da wohl jemand das Dorf abfackeln will. Gruselig.
Noch ein Nachtrag: Heute morgen (Dienstag, 3.9.) war schon wieder Rauch aus der Richtung Cagnes-sur-Mer zu sehen. Anscheinend war das Feuer aber schnell unter Kontrolle, denn die Wolke war nach nur 20 Minuten nicht mehr zu sehen. Glück gehabt...
Und noch ein Nachtrag: Heute (Donnerstag, 5.9.) sieht es draußen aus wie in Hamburg. Es regnet mal mehr und mal weniger, und es ist relativ kühl. Aber das ist gut: Erstens tut das mal wieder ganz gut, nach dem endlosen, heißen und trockenen Sommer, und zweitens sind damit die Waldbrände hoffentlich endlich vom Tisch.