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Warm!

Bonjour!

Fescht

Ich schreibe diesmal den Bericht über das Fescht schon vor dem Fescht, was haltet Ihr davon? Gute Idee, oder?! Also los:

Das Fescht war auch dieses Jahr wieder schön. Die Bands haben mich ausnahmsweise mal halbwegs interessiert. Ah... da geht's ja schon los! Wie soll ich denn jetzt vor dem Fescht schon wissen, wie Moloko waren? Also schreibe ich doch erst nachher über's Fescht. Ist ja auch authentischer so.

Stören Kappen eigentlich bei irgendwas?

Ein paar Tage später...

Zum Glück habe ich nicht vorher schon geschrieben! Es gab nämlich dieses Jahr einige Dinge, die ganz anders waren als sonst. Die Veranstalter haben mir mehrere Fallen gestellt:

Morgens kann man noch nicht klar sehen, aber man ist glücklich.

Merken werde ich mir drei Dinge.

Erstens werden wir alt. Ich selber habe das an meinem Knie bemerkt und am moderaten Bierkonsum, aber Volker mußte sich sogar in der Straßenbahn von einem Mädchen den Platz anbieten lassen.

Zweitens war es so staubig lange nicht mehr. Am Bergkamm konnte man immer schön erkennen, wo der Wind herkam: Eine Seite war klar, während die andere Seite in einen dicken Staubnebel gehüllt war.

Ausschnittvergrößern bis der Arzt kommt.

Am Sonntag hat Petrus am Ende noch ein Paradestück origineller Wetterentwicklung hingelegt, wunderschön und gewaltig zugleich: Während des ganzen Sonntages sammelten sich immer mal wieder Gewitterwolken im Süden und Osten am Hang des Schwarzwaldes. Zur Dämmerung waren die Wolken dann schon überall, weswegen wir herrlich rotes Abendrot bewundern durften.

Dann wurde der Wind in der letzten halben Stunde des Konzertes stärker, bis am Bierzelt oben auf dem Berg nur noch Staub zu sehen war und alle ihre Tücher festhalten mußten.

Und als Höhepunkt des Spektakels find es dann an zu regnen. Wir haben uns darüber durchaus gefreut nach der Hitze, allerdings sind wir trotzdem nach wenigen Sekunden unter die Theaterbühne geflohen, weil der Regen so stark war!

Unter der Bühne drängten sich so etwa 200 Leute, einer spielte den Chorleiter, wir verliehen unsere Handtücher an besonders Bedürftige, kurz: Die Stimmung war klasse. Leider wurden wir nach ein paar Minuten vom Sicherheitsdienst verscheucht. Man hatte wohl Angst, das Dach der Bühne könne bei dem Sturm einstürzen. Kann ich nachvollziehen.

Diese Gruppe von Hangstuhlsitzern soll mein letztes Foto zu diesem Thema sein.

Ein unglaublich spektakulärer Abschied war das, den das Fescht uns da geboten hat...

Drittens: Vorsicht vor der scharfen Soße im "La Strada"! Und ich habe absichtlich nicht "mit" geschrieben, sondern "vor"! Bei dieser Soße gibt es kein Miteinander, da heißt es sie oder ich. Leider hat die Soße gewonnen.

Blau

Hat jetzt mit dem Fescht gar nichts mehr zu tun... Wer schonmal in Nice war, hat vielleicht bemerkt, daß die Promenade des Anglais voller blauer Stühle steht. Diese Stühle sollen angeblich bekannt sein, eine Art Wahrzeichen der Promenade.

Wie dem auch sei, ich wollte eigentlich nur die Sparte "Klatsch & Tratsch" mit einem Eintrag starten, den ich im Flugzeug der Zeitung "nice-matin" entnommen habe:

Charles Tordo, Erfinder und Handwerker, verdienter Bürger von Tourettes-Levens (gleich hier um die Ecke) und Schöpfer besagter blauer Stühle, ist gestorben. Leider sagt der Artikel nicht, wie alt er war, aber auf dem Foto sieht er sehr, sehr alt aus. Aber auch rüstig. Jedenfalls war der Bürgermeister bei seiner Beerdigung und hat gesprochen. Respekt.

Achtung! Dieser Mann verspeist Letten zum Frühstück.

Feuer

Habt ihr ja sicher gehört: Hier unten brennt es überall.

Wir sind bisher verschont geblieben von größeren Bränden, glaube ich zumindest. Nördlich von Nice war ein größerer Brand, dessen Rauch wir gesehen haben, und dann waren in den letzten Tagen noch zwei kleinere Brände, einer zwischen Plascassier und Grasse (also so 2km von hier) und einer in Garbejaire, gegenüber und gut sichtbar von Eurécom.

Die Leute im Var haben aber wirklich zur Zeit nichts zu Lachen. Es ist trocken, seit Ulla hier wohnt, und wenn Familie Jones jetzt nicht in England wäre, hätte ihre neugeborene Tochter in ihrem Leben noch keinen Tropfen Regen gesehen!

Dazu bläst seit ein paar Tagen der Mistral. Hitze, Trockenheit und Wind sind leider eine ziemlich gefährliche Kombination. Scherben im Wald reichen z.B. in manchen Fällen aus, um ein kleines Feuer zu entfachen, das dann sehr schnell sehr groß werden kann.

Jaques Chirac fährt seit ein paar Tagen eine harte Linie. Man weiß zwar nicht genau, gegen wen konkret, aber er hat mehrfach betont, man kenne keine Gnade gegenüber für Feuer Verantwortlichen.

Und tatsächlich scheinen einige der Brände absichtlich gelegt worden sein. Am Dienstag wurde unweit Nice angeblich ein Mann dabei erwischt, wie er mit dem Feuerzeug das Unterholz neben der Straße anzünden wollte.

Er wurde dann verhaftet und man kann nur hoffen, daß er nicht aus dem Fenster des Kommissariats -ähm- springt, wie das bei Mordfällen in Frankreich ab und zu vorkommt.

Freude!

Man fragt sich natürlich, ob da wohl die Korsen im Spiel sind, denn die haben ja letzte Woche in Nice auch schon zwei Bomben hochgehen lassen. Auf der anderen Seite hat Korsika selber genügend Probleme mit Waldbränden.

Flugzeuge

Bei uns ist es wie gesagt in der Hinsicht etwas ruhiger. Wegen der großen Brände im Var (dem Arrondissement nebenan) hat Frankreich mittlerweile um europäische Hilfe gebeten, aber auch innerfranzösisch konzentriert sich die Feuerwehr auf den Var und läßt kleinere Brände andernorts mangels Personal teilweise einfach brennen, so z.B. bei Grenoble.

Die 22 Löschflugzeuge ("Canadairs") sind jedenfalls komplett im Var, weswegen auch seit ein paar Tagen nicht mehr mehrmals täglich zwei davon über unsere Köpfe fliegen. Dafür sehen wir jetzt mehr Hubschrauber.

Und es regnet Asche! Gestern Abend ist uns das zum ersten Mal wirklich aufgefallen, aber so ein kleines bißchen kommt permanent runter. Gestern Abend war es so stark, daß man die Partikelchen in der Luft sehen konnte. Gespenstisch.

Wasser!

31.7.2003, 13:30: Es regnet. Seit Anfang April ist zum ersten Mal der Boden naß, seit vollen 4 Monaten!

Schön!

Kein Wasser

Am Wochenende waren wir bei einer Hochzeit (schon wieder? Hört denn das nie auf?) bei Manosque. Manosque findet sich nördlich von Aix en Provence und östlich des Luberon, an einem schönen Fleckchen also und nur knapp zweieinhalb Autobahnstunden entfernt.

Der Regen vom Freitag war nicht bis dorthin vorgestoßen, und außerdem ist es in der Gegend traditionell wärmer als hier, also sieht man dort ab und zu abgebrannte Flächen neben der Straße und auch den einen oder anderen abgebrannten Hügel. Einer der Berghänge hinter Manosque sah auch ziemlich braun aus, da werden sie in der Stadt wohl geschwitzt haben (also noch mehr als sowieso schon).

Überall Bierflaschen und Chaos - das Fescht aus der Sicht von Valerie.

Die eigentliche Hochzeit war in einem winzigen Dorf, dessen Rathaus so klein war, daß 2/3 der Gäste draußen stehen und per Lautsprecher zuhören mußten. Danach gab's ein wenig zu trinken und knabbern, während unendlich viele Fotos vom Brautpaar gemacht wurden. Das ganze malerisch oben auf dem höchsten Punkt des Ortes mit prima Blick nach fast allen Seiten.

Mittagessen gab's bei den Eltern im Garten. Allerdings wohnen die Eltern so weit ab vom Schuß, daß sie selber gar nicht wissen, wo genau ihr Garten aufhört. Zur nächsten Straße fährt man 5km Piste, und drumherum stehen reichlich Bäume (südfranzösische Bäume, ein wenig kahl und nur 5m hoch, aber immerhin). Von 1:30 bis kurz vor 6:00 aßen wir erlesenste Speisen, 6 Gänge und tranken ebenso viele verschiedene Weine.

Ein Garten hat übrigens in Südfrankreich auch nicht zwingend Gras auf dem Boden, dafür ist es hier zu trocken. Wir z.B. waren in einem Teil des Gartens, der mit Kies ausgelegt war.

Unser Tisch war etwa ein fünftel der Zeit damit beschäftigt, die Sonnenschirme zu verschieben, weil wir leider nicht unter den Bäumen saßen, oder nur teilweise. Zum Ausgleich war es aber dafür ein netter Tisch mit angenehmen Leuten. Wir waren auch der erste Tisch, der sich komplett im Pool wiederfand, kurz vor Ende des Essens, als die anderen noch ihren Kaffee schlürften.

Später am Abend gab es dann noch diverse Leckereien vom Grill, mehrere Showeinlagen der Brüder des Bräutigams (vom Auftritt als Village People bis zum Strip), Bildershow und jede Menge Musik aus unserer Jugend, also 80er-Jahre-Mist, der ja irgendwie immer wieder Spaß macht (auch wenn man die Hälfte nicht kennt, weil es französischer 80er-Jahre-Mist ist).

Am Sonntag haben wir uns auf dem Rückweg noch die Gorges du Verdon angetan, allerdings nicht wirklich ausführlich, dafür war es zu warm. Und zu voll natürlich, wegen der ganzen Touristen...

Mait raucht die letzte Zigarette vor dem Sturm.

Nochmal kein Wasser

Ich habe dieses Jahr ein neues Wort gelernt: La canicule, die Hitze.

Mit dem (fehlenden) Regen hat das gar nichts zu tun, es ist auch relativ feucht. Was uns hier wirklich fertig macht, ist diese ewige Hitze. Man wacht morgens auf und ist schweißgebadet, wie nach einem Alptraum. Ein Alptraum!

Während des Tages sind die glücklichen Bewohner in klimatisierten Räumen bei der Arbeit, die anderen schwitzen und jammern. Das ist übrigens auch nach drei Monaten Hitze immer noch normal: Man jammert, daß es zu heiß ist. Jeden Tag. Mehrfach. Von Gewöhnung keine Rede.

Falls man tagsüber das Haus verläßt, merkt man sofort, wie einem die Sonne auf den Pelz brennt. Das ist auf der einen Seite auch ganz gut, denn es läßt den Schweiß verdunsten und kühlt, auf der anderen Seite ist es aber auch doof, weil der verdunstete Schweiß eine fiese, klebrige Schicht hinterläßt, die man nur durch Duschen los wird.

Auch bei uns hat es in den letzten Tagen wieder gebrannt. Auf dem Weg von Plascassier Richtung Antibes war vor einer Woche ein Feuer am Straßenrand, und vorgestern gab's dann an der gleichen Stelle noch zwei Feuer, ebenfalls direkt an der Straße. Und dabei sollte man doch meinen, daß mittlerweile alle Leute geschnallt haben könnten, daß man seine Zigaretten nicht aus dem Fenster werfen sollte...

Die Canadairs kommen in den letzten Tagen auch wieder relativ häufig vorbei, manchmal erstaunlich tief über unserem Hausberg.

In einigen Teilen Frankreichs ist es mittlerweile verboten, bestimmte Pflanzen zu bewässern. Im Var gibt es Kontrolleure, die auf der Suche nach illegalem Wasserverbrauch sind und die zum Beispiel Hinweisen auf plötzlich vertrocknete Bäche nachgehen und dann manchmal herausfinden, daß ein Anrainer den Bach umgeleitet hat auf seine Felder. Sowas wird dann teuer, die Stimmung hier ist zur Zeit bezüglich Feuer und Wasser etwas gereizt...

Und natürlich gibt es immer wieder neue Horrorzahlen zum Thema "Todesopfer": Vor kurzem war von 1500 bis 3000 Toten die Rede, mittlerweile sind es schon über 10000, zumeist höheren Alters. Die meisten davon sterben an Wassermangel. Die Statistiken sagen natürlich noch nichts darüber aus, wann die Leute "eigentlich" gestorben wären. Interessant wäre zum Beispiel ein Vergleich der Zahlen vom Juni, Juli, August und September der letzten Jahre und von 2003. Bestimmt sind die Zahlen vom September 2003 niedriger als im Vorjahr...

Trotzdem feiern!

Am Ende dieses Berichtes möchte ich noch kurz verkünden, daß ich allen Unkenrufen, Bürokraten und Widrigkeiten zum Trotz jetzt verheiratet bin!

Nur wenige Monate hat es gedauert, die nötigen Papiere zusammen zu bekommen, einige Tage durften unsere jeweiligen Eltern von Amt zu Amt rennen und Unsummen für Übersetzer ausgeben, aber nun ist es soweit: Ich habe hier eine Urkunde der Stadt Grasse-Plascassier, die mich als verheiratet ausweist.

Die Urkunde hat übrigens die Nummer 4! Arnd und Carine, die ebenfalls in Plascassier geheiratet haben, werden wohl die 3 haben, ich kenne also die Hälfte der dieses Jahr bisher in Plascassier verheirateten Paare persönlich.

Kompliziert war die ganze Geschichte, weil ich in Frankreich heiraten wollte (eigentlich war mir das egal, es war aber letztendlich einfacher), und weil Souad nunmal Algerierin ist.

Im Grunde ist es bemerkenswert, daß es überhaupt möglich ist, sich im Ausland trauen zu lassen, wenn keiner von beiden aus dem Land kommt, in dem die Trauung vollzogen wird. Der Weg dorthin ist allerdings steil und voller Überraschungen, nicht zuletzt wegen deutscher Bürokratie.

In unserem Fall war es so, daß das letzte Papier hier beim Rathaus im Gepäck meiner Eltern etwa 5 Minuten vor der Zeremonie eintraf. Dieser ganze Streß ist jetzt aber zum Glück vorbei, deswegen will ich das gar nicht nochmal aufwärmen.

Anstattdessen hier eine kleine, statistische Anekdote: Pro Jahr heiraten etwa 30 deutsche Männer algerische Frauen, mehr nicht. Ich bin also mal ganz locker 5% einer demographischen Gruppe. Das finde ich cool.

Und damit lasse ich Euch jetzt alleine.
Schönen Abend,
Jan

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