Send to Kindle

Maßnahmen ergreifen!

Frohes Neues!

Auf Umwegen nach Hamburg

"Auch KLM kann mal verreißen" scheint das Motto unseres Fluges nach Hamburg vor Weihnachten gewesen zu sein.

Angeblich war am Morgen über ganz Holland der Nebel sehr dicht gewesen, und alle Flüge nach und von Amsterdam hatten übelste Verspätungen. Alle Flüge? Nein, eine kleine Fokker 70 nach Hamburg startete genau nach Plan, und das war natürlich unser Anschlußflug.

Toll war, daß wir den Bus zum Flugzeug vor dem Gate noch gesehen haben, als wir ankamen, aber die 50 Sekunden, die wir für Treppe rauf, 20m Rennen, Hecheln und "Too late?" röcheln brauchten, waren wohl unzumutbar lange, und so waren Bus und damit auch Flugzeug weg. So.

Schiphol ist der Heimatflughafen der KLM, man ist gut organisiert. Am Transferschalter bekommen wir neue Flüge — für den nächsten Nachmittag, 15 Uhr Keks, unten an der Gepäckausgabe Hotelgutscheine und jeweils ein Überlebenspack für die Nacht, bestehend aus:

Gar nicht so übel...

Ein Abend in Amsterdam

Ich dachte natürlich gleich daran, den Abend in Amsterdam zu verbringen, aber leider gab es da ein paar Hindernisse.

Wir bekamen unser Gepäck nicht ausgehändigt. Wenn man aus Nizza (25° in der Sonne) nach Hamburg (-5° überall) fliegt, ist man also schlecht vorbereitet, zumindest wenn man wie ich erst am Zielort die Jacke aus der Tasche holt... die 10 Minuten Wartezeit für den Hotelbus waren knapp am Limit.

Das Hotel lag ungünstig. Nee, ich scherze. Der Bus fuhr los, kam nach etwa 15 Minuten auf eine 5-spurige Autobahn, fuhr auf dieser 10 Minuten, wendete dann an der nächsten Ausfahrt, fuhr 500m zurück, auf einen Tank- und Rastplatz, und siehe da: Ein Hotel hinter der Tankstelle!

Aus dem Zimmer konnte man zum Glück die Autobahn nicht sehen, dafür aber die riesige Wiese dahinter, auf der wahrscheinlich (es war dunkel) Kühe rumstanden und dumm guckten. Amsterdam ist ja sowieso schon 20km von Schiphol entfernt, das Taxi würde also wohl zu teuer werden.

So kam es, daß wir nur schnell zu Abend aßen und dann in die Falle hopsten. Hotelbar gab's auch nicht.

Der Weihnachtsmann auf dem Drahtseil. Ein kurioses Schauspiel am Hamburger Rathaus

Beschweren!

Irgendwo in meinem Kopf wuselte am Abend ein Gedanke herum, der sich wie "die geben einem bestimmt Geld, wenn man sich beschwert" anhörte. Ich habe sowas noch nie getan, wollte aber nun auch einmal einen Scheck oder vielleicht einen Gratisflug abstauben, also begaben wir uns noch vor der Abfahrt zum Hotel zum KLM-Schalter, an dem noch ein paar andere Leute ähnliche Probleme diskutierten.

Ich zog eine Nummer und wartete ab. Kaum ausgerufen, stand ich schon am Schalter und teilte mit, ich müsse extrem dringend am Morgen in Hamburg sein, der Nachmittag sei zu spät. Leider war das wohl der falsche Ansatz, denn das Ergebnis war, daß wir um 5:45 aufstehen, in 10 Minuten schnellfrühstücken und um 6:40 den Bus zurück nach Schiphol nehmen mußten, um den Flug um 8:Keks nehmen zu können.

Ich weiß nicht, ob ich mich nochmal irgendwo mit dem Hintergedanken beschweren werde...

Übrigens war der Flug am Morgen nicht mit KLM, sondern mit Eurowings. Die Frau am KLM-Schalter hatte vorsorglich darauf hingewiesen, daß sie nicht wisse, ob es für das Gepäck zu spät sei (eine Nacht ist wohl zu kurz, wenn man Gepäck umladen muß), also war es nicht überraschend, daß unser Gepäck erst am Samstag geliefert wurde.

In diesem Zusammenhang: Wußtet Ihr schon, daß immer der letzte Carrier für das Gepäck verantwortlich ist? In userem Fall war das Lufthansa, denn die sind Partner von Eurowings. Die freundliche Frau in Hamburg erzählte mir die eine oder andere Geschichte über den undankbaren Job, während sie unsere Daten aufnahm. Tatsächlich müßte die verursachende Fluggesellschaft (in unserem Falle KLM) die Lieferung zahlen, einige Billigluftlinien tun das aber wohl nicht. Interessant...

Hamburg im Schnee

Weihnachten war super! Überall lag Schnee, teilweise gar nicht so wenig. Hamburg tat das, was ich von ihm erwartete: Es war kalt, dunkel, und überall in den Fenstern sah man gemütliches Licht, Weihnachtsbäume und Kerzen. Gibt's ja hier unten eher nicht so.

Das ist halt die Schattenseite, wenn man in einem warmen Land wohnt. Hier unten ist es nicht notwendig, es drinnen gemütlich und warm zu haben, und schon gar nicht, das nach draußen zu zeigen. Man vergittert lieber die Fenster mindestens im Erdgeschoß, damit niemand einbricht, bis man in den Sommerferien nächster Jahr wieder herkommt.

Wie üblich war die Zeit mal wieder gespickt mit Aufträgen und Besuchen bei Verwandten, trotzdem hatte ich aber sowas wie Ferien, einfach nur weil ich keine Zeit hatte, über Jobs oder Geldmangel nachzudenken. Hört sich kurios an: Mir fehlt das, Ferien haben. Ich brauche unbedingt wieder einen Job!

Das war das erste Schneeschippen in ihrem Leben. Ehrlich.

Côte d'Azur in der Sonne

Der erste Tag wieder hier unten war ganz anders: Warm, sonnig, eine irre Sicht, nur ein wenig zu windig. Wir waren auf dem Plateau de Calern, wo auch das Observatorium Côte d'Azur steht. Von dort oben konnte man Korsika sehen wie noch nie: Auf den höheren Bergen lag Schnee, und nordöstlich des Teiles, den man öfter mal sieht, geht es nochmal fast genauso weit weiter. Die Berge sind in diesem Teil weniger hoch, deswegen sieht man ihn nicht oft.

Der Wind auf dem Plateau war etwas kalt, aber sonst war es wirklich ein schöner Tag.

Die Wintersportler sind wohl auch ganz zufrieden, zumindest hier im Süden der Alpen. Die Berge in Richtung Italien sehen auch von hier aus schon gut aus, besonders bei Sonnenuntergang, wenn der Schnee rötlich leuchtet und die Berge davor schon im Schatten liegen. Schade, daß man sowas nicht ordentlich fotografieren kann...

Schnee? Öl? Flut? Katastrophe!

In Frankreich ist man weder Wasser gewohnt, noch Schnee und Glatteis. Vom Wasser habt Ihr ja vielleicht schon gehört: Nicht nur der Osten Deutschlands steht unter Wasser, auch in Frankreich sind in der letzten Zeit ziemlich oft Überschwemmungen.

Vorgestern Abend traf es die Rückfahrer auf der A10 südwestlich von Paris. Ein Teilstück dieser Autobahn hatte sich überraschend in ein Eisfeld verwandelt, und das Ergebnis war ein riesiger Stau voller Leute, die teilweise 24 Stunden auf der Autobahn festsaßen.

Mir ist das auch schonmal passiert, allerdings nur 5 Stunden oder so, und am Tag. Ich weiß aber noch, daß es damals kalt war im Auto, und daß wir nicht die ganze Zeit den Motor (und damit die Heizung) laufen ließen, weil wir Angst um den Sprit hatten.

Hier in Frankreich läuft sowas ganz anders: Die Leute stehen mit Licht und laufendem Motor rum, verlassen ihre Autos, wenn "die Batterie leer" ist, wie eine Frau im Fernsehen das ausdrückte, und rufen dann nach Rache. Ehrlich!

Die 4 Interviews in den Nachrichten sagten alle das Gleiche: Man hätte schneller Maßnahmen ergreifen müssen! Was genau das sein sollte, wurde nicht gesagt, übrigens auch nicht im Rest der Reportage.

Maßnahmen ergreifen!

"Maßnahmen ergreifen" gehört zu den Lieblingsfloskeln der Franzosen.

Wenn Öl fast alle Atlantikstrände unterhalb der Bretagne bedroht, müssen Maßnahmen ergriffen werden! Wenn ein betrunkener Autofahrer Polizisten überfährt, die eine Unfallstelle sichern wollten, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Wenn eine Flut nach der anderen ganze Dörfer in Seen verwandelt, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Eigentlich müssen immer Maßnahmen ergriffen werden. Wo kämen wir denn sonst hin?

Irgendwie sagt niemand, daß die Wetterberichte schon Tage vorher vor Schneestürmen und Glatteis gewarnt hatten. Wir dürfen aber erleben, wie Leute vor der Kamera sagen, sie seien beim Kauf ihres Hauses nicht gewarnt worden, daß es in einer flutgefährdeten Lage ist. Aha! Da kann man doch bestimmt Maßnahmen ergreifen! Da ist ein Schuldiger irgendwo!

Ich habe den Eindruck, Deutsche in so einer Situation würden anders reagieren, zum Beispiel verzweifelt sein, stoisch oder fatalistisch, aber sieht man im deutschen Fernsehen auch jeden Abend Leute, die wegen jedem Scheiß der Regierung die Schuld geben? Kann ich mich irgendwie nicht dran erinnern, aber das mag täuschen.

Ich will nichts verharmlosen, und mir ist es jederzeit lieber, einem Unberechtigten zuviel Hilfe zu zahlen, als einem Berechtigten zu wenig, aber irgendwie wirkt die ganze Berichterstattung zu Fluten, Öl und Eis merkwürdig. Immer wieder wird Raffarin gerufen, der Ministerpräsident, und der soll dann alles richten. Wickert hat schon Recht, die Franzosen glauben noch an den König.

Passieren wird natürlich erstmal gar nichts, außer vielleicht auf lokaler Ebene. Einige der Bürgermeister an der Atlantikküste haben zum Beispiel begonnen, Freiwillige zu sammeln, die in den nächsten Tagen die vielen kleinen Klümpchen von den Stränden aufsammeln sollen. Von dem "Plan soundso", den die Umweltministerin angeleiert hat, und der hauptsächlich Geld umschichten soll, wird man bestimmt erst wieder in 6 Monaten hören, und zwar wenn sich die Kommunen oder Anrainer beschweren, daß es noch nicht da ist, und daß sofort Maßnahmen ergriffen werden müßten...

Sehr schön fand' ich persönlich die Luftaufnahme des enormen Staus aus dem Hubschrauber heraus aufgenommen, auf der nur 20m neben der Autobahn ein TGV vorbezischte...

Schnell weg...
Jan

Send to Kindle
< Weg der Schande
62 von 156
Geburtstag im Zoo >
Berichte aus der Schweiz, England & Frankreich
blog comments powered by Disqus
jan-exner.de
Made with Kirby and