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Schönes neues Jahr!

Marhaban!

Der 18. Januar 2001, neues Jahr, neues Jahrtausend, ich sollte wohl mal einen neuen Bericht schreiben. Ok. Bleistift spitzen, Papier glattstreichen, los geht's:

Meine Weihnachtsferien waren super, aber nicht ereignisreich genug für einen Bericht. Die Fahrten waren mehr oder weniger problemlos, teilweise sehr schön (ich bin teilweise durch die Berge gefahren, durch den Schnee, und fast immer nachts, wegen fehlenden TÜVs...), teilweise normal. Von meinem Auto kann ich nicht mehr berichten, weil es auf dem Schrott gelandet ist.

Ich habe mich geruhsam in Richtung Norden hochgearbeitet und dabei den einen oder anderen Bekannten besucht oder mitgenommen.

Silvester war entgegen allen Befürchtungen richtig gut, wahrscheinlich besser als in den vergangenen 3 Jahren, und das hat mich doch sehr angenehm überrascht.

Generell war es schön, mal wieder in Hamburg zu sein. Lange Abwesenheit führt offenbar doch zu mehr Heimweh. Zum Glück war auch noch das Wetter toll, sogar ein bißchen Schnee lag bei uns vor dem Haus rum. Für Sternguckerausflüge hat es zwar nicht mehr gereicht, aber das kann ja mal vorkommen.

Auch die Fahrt nach Frankreich war relativ problemlos, ich war nur zwischendurch ein paar Tage krank, wurde aber gut versorgt.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mir über Weihnachten darüber klar zu werden, wie und vor allem wo ich denn 2001 verbringen würde, aber natürlich habe ich das letztendlich immer vor mir hergeschoben, und so bin ich jetzt wieder hier. Falls meine Firma das Jahr überlebt, werde ich auch hier bleiben, und falls nicht, dann kann ich mir die Frage ja immer noch stellen.

Interessant finde ich, daß man sich seiner kulturellen Wurzeln eigentlich nie richtig bewußt ist, solange man sich nicht einmal wirklich in einem anderen Umfeld bewegt.

Mir ist dieses Jahr zum ersten Mal aufgefallen, wie viel wohler ich mich in Hamburg fühle und daß ich Norddeutschland doch als mein eigentliches Zuhause betrachte. Ich habe sogar das Gefühl, die Menschen sähen im Norden netter und freundlicher aus.

Manchmal gibt es auch hier Stürme und hohe Wellen am Cap d'Antibes.

Natürlich ist das alles wahrscheinlich nur eine Frage der Gewöhnung, aber wenn man als Kind irgendwo gelebt hat, dürfte die Gewöhnung sehr prägend gewesen sein, und vermutlich wird sie ein Leben lang bestimmend sein. Das ist wohl das, was man den 'kulturellen Hintergrund eines Menschen' nennt.

Warum ist mir das in Karlsruhe nicht so aufgefallen, wo ich doch immerhin 8 Jahre lang da gelebt habe und auch manchmal lange nicht in Hamburg war? Ich vermute, daß erstens der Unterschied zwischen Karlsruhe und Hamburg nicht so groß ist, daß man ihn wirklich stark spürt, zweitens hatte ich in Karlsruhe relativ viele norddeutsche Bekannte und nur wenige süddeutsche, und drittens habe ich in Karlsruhe viel erlebt und war nicht oft in der Lage, mir solche Gedanken zu machen, es war einfach zu turbulent.

Die naheliegende Schlußfolgerung aus meiner 'Kulturerkenntnis' ist, daß jeder in seinem Leben mal aus seinem Kulturkreis rausgehen und einen anderen kennenlernen sollte.

Erstens ist das interessant, zweitens fördert es die Offenheit gegenüber Andersartigem, und drittens hilft es einem dabei, sich darüber klar zu werden, was man an seiner eigenen Kultur mag und was man lieber ignorieren sollte.

Eine 'negative' Auswirkung hat Frankreich allerdings auch, die sollte ich nicht verschweigen. Früher (in der Schule und so) war ich immer davon überzeugt, daß die Menschen an einem bestimmten Ort sich nicht signifikant von den Menschen an anderen Orten unterscheiden. Ich dachte immer, daß wir alle grundsätzlich gleich sind, und daß es höchstens kleinere Unterschiede gibt, die kulturell bedingt sind.

Heute glaube ich, daß die kulturellen Unterschiede doch ziemlich groß sind, und daß sie einem durchaus das Verständnis anderer Leute sehr schwermachen können.

Natürlich gibt es überall nette Menschen, und man findet unter Garantie überall Freunde. Manche Dinge werden nur (ganz unbewußt) anders gehandhabt oder bewertet, und das kann komisch wirken, wenn man es sich nicht klarmacht.

Ein triviales Beispiel: Begrüßungen zwischen oberflächlich bekannten Deutschen sind viel unpersönlicher als zwischen entsprechenden Franzosen. Für einen Franzosen könnte also der oberflächlich bekannte Deutsche arrogant oder unnahbar wirken. Daß das eine totale Fehleinschätzung sein könnte, muß man sich erstmal bewußt machen.

Im Grunde ist das alles klar, aber es ist doch anders, es zu erleben.

Drei Jahre in Frankreich haben also dazu geführt, daß ich meine idealistischen Ideen zugunsten eines vielleicht realistischeren Quasi-Rassismus abgelegt habe. Naja, kann ja mal vorkommen...

Oben liegt noch Schnee, während man unten schon mittags in der Sonne essen kann.

Die nähere Zukunft ...

Im Laufe des Jahres war mir aufgefallen, daß mir ein Garten doch wichtig ist, und Bernhard hat keine Lust mehr, sein Auto für viel Geld bei den Bullen abzuholen, wir haben also unserer Vermieterin mitgeteilt, daß wir ausziehen werden und suchen jetzt mal wieder eine schöne Bleibe, nicht in Nice (zu weit weg), nicht in Antibes (zu viele Touristen), nicht in Cannes (zu teuer), sondern irgendwo im Hinterland.

Unsere Vermieterin hat uns gebeten, als Grund für den Auszug (wir haben ihr erzählt, ich würde wieder nach D gehen) die Nachbarn unter uns anzugeben. Das sind die, die uns ab und an so blöde Zettelchen in den Briefkasten werfen oder um 22:02 erbost vor der Tür stehen, weil Bernhard um 22:01:30 den Staubsauger angeworfen hat.

Unserer Vermieterin zufolge ist die Frau unter uns gerade in einer schwierigen Phase, und wir vermuten, daß sie so stark nervt, daß man sie wohl rausekeln oder zumindest mal verwarnen möchte, wofür wir dann natürlich herhalten sollen.

Ja, das ist moralisch nicht ganz sauber, aber nach den völlig absurden Zetteln von denen ist mir das absolut recht. Sollen sie doch unter einer Brücke wohnen!

Schaffe, schaffe, Häusle baue...

Ich habe in den letzten Wochen ja vielleicht dem einen oder anderen mal erzählt, daß ich mir um meine berufliche Zukunft Gedanken (und streckenweise auch Sorgen) mache...

Tatsache ist, daß ich noch nichts genaueres dazu sagen kann. So wie es jetzt aussieht, wird sich vorläufig erstmal nichts ändern. Natürlich weiß man sowas nie vorher, aber das macht es ja auch wiederum spannend, nicht wahr?!

Vor diesem Blick auf die Berge im Norden ißt man in der Mensa.

Straßenbau, das Rückgrat der Industrialisierung

Fahre ich doch gestern Abend nach Hause wie immer, komme vom Voye Rapide runter und bereite mich seelisch darauf vor, einen Parkplatz zu suchen, plötzlich stehe ich vor einer Straßensperre!

Ich probiere, auf kleinen Umwegen zu unserem Haus zu kommen, muß aber feststellen, daß das nicht hilft, irgendwie ist ziemlich viel abgesperrt.

Im Vorbeifahren sehe ich eine große Maschine, die in der Parallelstraße hinter unserem Haus den Asphalt abkratzt, abmeißelt und abschürft, unter Heidenlärm natürlich.

20 Minuten später habe ich einen Parkplatz gefunden (direkt an der Einfahrt zu den Korsika-Fähren, vielleicht sollte ich auf Korsika arbeiten...) und gehe noch kurze 5 Minuten nach Hause.

Gegen Mitternacht lege ich mich ins Bett, heute mal etwas früher als sonst, irgendwie bin ich müde. Leider ist das keine gute Idee: Der Straßenkratzer macht draußen immer noch derbe Krach.

Ich verbringe einige Zeit damit, eine Inventur der Geräusche zu machen (Preßlufthammer, Kratzen auf Asphalt, Asphaltbrocken fallen in Stahlcontainer, Baumaschine fährt rückwärts (die Hupen dann), mindestens drei verschiedene Motoren, einige davon beruhigend und gleichförmig, andere eher unstetig, Stimmen, und noch eine ganze Reihe Randgeräusche, die ich nicht näher zuordnen kann), schlafen kann ich jedenfalls nicht.

Ich glaube, ich lasse mich normalerweise von Geräuschen nicht stören, aber das ist einfach zu kraß, also stehe ich wieder auf.

Um halb 2 kommt Bernhard nach Hause und schlägt vor, wir könnten ja mal schnell Staubsaugen und gucken, ob unsere geliebten Nachbarn von unten dann wohl die Bullen wegen Ruhestörung anrufen...

Tja, und dann gucke ich mir bis ungefähr drei Uhr meine Fotos an und trinke dabei ein wenig, was soll man auch sonst machen...

Ich kann mich erinnern, daß ich mal in einem Bericht erwähnt hatte, es sei cool, daß die Straßen hier mal so eben über Nacht neu geteert werden, aber ehrlich gesagt ist mir unter diesen Umständen doch der Tag lieber. Vielleicht sollte man zwischen 'mitten im Industriegebiet' und 'mitten in der Stadt' unterscheiden.

Meine Bürogenossen meinten heute, ich solle mich ruhig bei der Stadt beschweren, es seien schließlich bald Wahlen, vielleicht habe das sogar eine gewisse Wirkung. Könnte sein, ja. Ich gucke erstmal, wie es heute Abend/Nacht weitergeht...

Und abgesehen von ein wenig Teergeruch war es wieder ok. Das beruhigt mich und vor allem konnte ich so gut schlafen.

Tja, soviel erstmal von hier, und ich melde mich wieder, wenn es Neuigkeiten, Entscheidungen oder was auch immer zu berichten gibt.

Ich wünsche Euch noch ein schönes Jahr und macht keine Dummheiten, ja?
Jan

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