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Liverpool

Super,

Ich mußte letzte Woche für zwei Tage nach Liverpool.

Zwischen Liverpool und Manchester herrscht eine gewisse Rivalität, vergleichbar vielleicht mit der Düsseldorf-Köln-Dynamik, bloß daß beide Städte hier auch noch über Fußball auf hohem Niveau streiten können.

In Liverpool jedenfalls sollte man sich nicht unbedingt als Mancunian zu erkennen geben, heißt es bei uns. Und auf keinen Fall mit dem Auto hinfahren! Das ist sonst weg, abgefackelt oder ohne Reifen, oder alles auf einmal. Die klauen ja da wie die Raben. Sind halt alle arbeitslos. Und permanent betrunken. Kennt man ja.

Vor Ort hatte ich erstmal echte Schwierigkeiten, den Taxifahrer zu verstehen, der mich zum Büro gebracht hat. Krasser Akzent!

Damit war es mit Liverpool dann aber auch schon quasi vorbei, denn empfangen wurde ich von einem, der am Morgen von Cheadle hergekommen war, so wie ich. Als nächstes erschien einer meiner Kollegen aus London und es stellte sich heraus, daß der in Wythenshaw geboren ist.

Die anderen Leute im Meeting waren aus Dublin, London, Utah, San Francisco, Spanien, Italien, Vietnam/Frankreich, Westafrika und Süddeutschland. Von Liverpool keine Spur.

Später am Abend suchten einige von uns einen Pub. Wir landeten in The Cavern, einem traditionsreichen Club, der zwischenzeitlich mal verschüttet war. Die Beatles sollen hier 292 mal gespielt haben, bevor sie groß rauskamen. Dummerweise war es voll mit Touris, war ja eigentlich zu erwarten.

Vorne stand einer allein mit Gitarre auf der Bühne und sang: Beatles, Elvis, Sweet Home Alabama, so Krams halt. Eine ältere Dame wog sich vor der Bühne, daneben zwei Touristinnen (das sieht man daran, daß sie mehr als ½m2 Stoff an sich haben und man weder Bauch noch Oberschenkel sehen kann. Jaja, ich übertreibe.) Das ganze war eher langweilig und man wunderte sich, warum hier das Bier in Plastikbechern ausgeschenkt wird. Wir konnten uns alle nicht vorstellen, wie die Stimmung jemals auf diesem gewissen Siedepunkt ankommen soll, ab dem mit Gläsern geworfen wird.

Später dann wechseln wir auf die andere Straßenseite, in's The Grapes wo gerade Karaokeabend ist. Da ist es schon gleich viel besser!

Der Laden ist rammelvoll mit herzhaft betrunkenen Leuten aller Art. Ich freue mich über den 70-Jährigen mit Krücke und Pint in der Hand während meine Kollegen diskutieren, ob die große, beleibte Schwarze mit den blondierten Haaren ein Mann ist oder nicht.

Das Grapes erinnert mich vage an diesen Laden im Keller in Karlsruhe, in dem Ulla damals ihre Schwester an den Mann bringen wollte. Hätte damals sehr gut in's Bild gepaßt, da wären wir als Studenten gern und viel eingekehrt.

Irgendwann so um 1 herum stehe ich auf dem Klo, neben mir noch einer. Tür geht auf, Mann mit Pint in der Hand kommt herein, geht zum Waschbecken und kotzt. Kotzt noch einmal, wischt sich dann den Mund ab und geht wieder. Dabei verschüttet er nicht einen Tropfen seines Biers. Mann neben mir und ich wechseln verwunderte und auch ein wenig anerkennende Blicke.

Insgesamt ist die Athmosphäre im Grapes einfach super! Wie gesagt sind alle sternhagelvoll und im UK bedeutet das normalerweise ein gewisses Maß an Aggressivität. Hier jedoch beschränkt sich das auf grinsendes Aufplustern und anschließendes Verbrüdern.

Ansonsten freue ich mich über die Truppe Endvierzigerfrauen in Pelzen und Stiefeln bis zum Po, die kaum stehen können. Hinter uns sitzt ein Mädchen mit blaßrosa gefärbtem Haar, heftigst tätowierten Unterarmen und Klamotten, die in jedem Büro als overdressed angesehen würden. Ihre zwei Begleiter tragen der eine ganz typisch einen Hoodie und Jeans bzw. der andere Anzug. Vor mir steht eine sehr schöne Frau mit halblangen Haaren und einem extrem langen Freund, der nach Skin aussieht. Eine Minute später dreht sie sich um und ich sehe, daß sie sich links komplett den Kopf rasiert hat.

Meine Kollegen meinen, das sei hier ein echter Querschnitt durch die Lokalbevölkerung und ich möchte das gerne glauben.

Nach ein paar Stunden sind auch wir alle hackevoll und am nächsten Tag will ein ganzer Tag voller Meetings durchgestanden werden, also machen wir uns um 2 Uhr ein wenig unmotiviert auf den Weg zurück zum Hotel. Leider ist dort die Bar schon zu, und so bin ich 5 Minuten später im Bett und merke, daß die Bar eher zum Glück schon zu war...

So viel zu Liverpool, war schön da!

Bye now,
Jan

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